Wie der Pianist Markus Becker beim Konzert im Kunstverein mühelos Brücken baut zwischen Klassik und Jazz.
Bilder inspirieren Komponisten. Bilder, die in Musik verwandelt werden, zu Klang-Bildern werden. Davon erzählt Modest Mussorgskijs berühmter Zyklus "Bilder einer Ausstellung" auf unglaublich suggestive Weise.
"Bilder einer Ausstellung"
Auch wenn Maurice Ravels raffinierte Orchesterversion Mussorgskijs originaler Klavier-Fassung im Konzertleben längst den Rang abgelaufen hat: schon in der ursprünglichen Fassung sind faszinierend viele Farben hörbar. Zumindest dann, wenn die "Bilder einer Ausstellung", 1874 nach Bildern von Mussorgskijs Malerfreund Victor Hartmann entstanden, so detailgenau, so nuancenreich interpretiert werden wie durch Markus Becker. Der Pianist, längst anerkannt als einer der wichtigsten Vertreter der Virtuosen-Gilde seiner Generation, gastierte beim Kammermusik-Festival "Klanggrenzen".
Dreifache Begegnung
Mussorgskijs "Bilder einer Ausstellung" einfach inmitten von Bildern zu interpretieren - eigentlich ein naheliegender Gedanke. Die "Klanggrenzen"-Organisatoren haben daraus einen Abend der dreifachen Begegnung gemacht: Klassik trifft Jazz trifft Kunst. Denn im Ausstellungspavillon des Kunstvereins kombinierte Markus Becker die "Bilder einer Ausstellung" im zweiten Teil mit Jazz.
Energischer Beginn
Sehr energisch ließ Becker den Rundgang durch diese klingende Ausstellung beginnen - wuchtig, schroff tönte die einleitende Promenade. Energisch, kraftvoll, aber auch mit feinem Gespür für leicht zu überhörende Zwischentöne gestaltete Becker den gesamten Zyklus, entdeckte manche Nebenstimme, der er plötzlich besonderes Gewicht gab. Vor allem aber interpretierte er diesen Zyklus wirklich als Zyklus, stellte Zusammenhänge zwischen den einzelnen Stücken her, ließ Reminiszenzen anklingen und bewies sein Geschick, ausgedehnte Steigerungskurven zu gestalten wie im abschließenden Satz "Das große Tor von Kiew".
Begeisternder Musikerklärer
Dass er nicht nur ein fabelhafter Klaviervirtuose im klassischen Repertoire ist, sondern auch ein begeisterter und begeisternder Musikerklärer, demonstrierte Becker im ausverkauften Vortragssaal des Kunstvereins im zweiten Teil. Denn unter dem bewusst sehr weit gefassten Etikett Jazz servierte er ein bunt gemischtes Programm zwischen Jazz-Standards, raffinierten Eigenkompositionen und Jazz-Rock-Hits - von Chick Corea bis Friedrich Fulda, von Weather-Report bis Al Jarreau.
Viele Zugaben
Begeistert ausdauernder Beifall und ein freigiebig spendierter Zugaben-Reigen am Ende eines faszinierend perspektivenreichen Klavierabends. Klaviermusik lediglich als Refugium für das betagte Bildungsbürgertum? An diesem Abend vor erfrischend bunten gemischten Zuhörerreihen keineswegs. Das Festival "Klanggrenzen" überwindet ganz offenkundig auch in dieser Hinsicht manche Grenzen.