Neustadt bei Coburg: "Kinder übereinander bestattet" - Archäologen entdecken 250 Skelette bei Ausgrabung
Autor: Ralf Welz
Neustadt bei Coburg, Donnerstag, 03. November 2022
Bei einer Grabung in Neustadt bei Coburg wurden rund 250 historische Gräber entdeckt, darunter auch von Kindern. Der Archäologe Matthias Tschuch erklärt, was das Areal so selten macht.
- Neustadt bei Coburg: Grabung fördert rund 250 Skelette zutage
- Archäologen stoßen auf großen historischen Friedhof
- "Kinder übereinander bestattet": Gruselige Gräber teils mit Sargresten
- "Kommt nicht oft vor": Experte erklärt seltenen Fund
Bei einer Grabung im Kreis Coburg wurden rund 250 Skelette freigelegt. Die Arbeiten fanden in den vergangenen Monaten unmittelbar neben der Stadtkirche in Neustadt bei Coburg statt. Die ersten archäologischen Funde waren bereits im November vergangenen Jahres im Zuge der umfassenden Neugestaltung des Marktplatzes zum Vorschein getreten. Das Besondere: "Es kommt heutzutage relativ selten vor, dass ein dermaßen großes Areal komplett bearbeitet wird", erklärt Archäologe Matthias Tschuch im Gespräch mit inFranken.de.
Ausgrabung in Neustadt bei Coburg: Archäologen entdecken historischen Friedhof
"Schon vor dem geplanten Umbau des Marktplatzes war uns klar, dass es dort etwas zu entdecken gibt", sagt Tschuch, der mit seiner Nürnberger Dienstleistungsfirma AST die archäologische Freilegung inmitten von Neustadt übernahm. "Weil wegen der Baumaßnahmen die Zeit gedrängt hat, haben wir uns gleich in Grabung begeben." Bis zum ersten Fund sollte es demnach nicht lang dauern, "Wir sind schnell auf den historischen Friedhof gestoßen." Auf der zentralen Fläche wurden die Menschen vermutlich bis ins 17. Jahrhundert bestattet.
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"Wir haben eine große Menge an gut erhaltenden Skeletten freigelegt", konstatiert der Archäologe. Insgesamt seien bei den Grabungsarbeiten an der Stadtkirche rund 250 Gräber zum Vorschein gekommen. Der Fund ist für die Wissenschaft von hoher Bedeutung. "Wahnsinnig viele Skelette beziehungsweise zusammengesetzte Knochen sind uns erhalten geblieben." Diese müssen dem Experten zufolge allesamt aus der Zeit vor dem Stadtbrand im Jahr 1839 stammen. "In den 1840er-Jahren musste die Kirche komplett abgerissen werden."
Die Toten kamen offensichtlich in verschiedenen Etagen zum Liegen. "Die Bestattungen fanden in bis zu neun Lagen übereinander statt", sagt Tschuch. "Wir mussten uns immer wieder in Schichten heruntergraben." Dabei fanden die Archäologen "erstaunlich häufig" auch Sargreste. Bei den Verstorbenen handelt es demnach um Männer und Frauen - aber auch Kinder. "Das war im Mittelalter und der frühen Neuzeit aber ganz normal", erklärt der Chef der Grabungsfirma. "Durch Seuchen sind viele jungen Menschen gestorben." In der Folge kam es mitunter zu Doppelbestattungen. "Zwei Kinder wurden übereinander bestattet."
Neben rund 250 Skeletten: Archäologen stoßen auch auf andere Funde - "noch viel Potenzial"
Neben den etwa 250 Skeletten stieß das fränkische Archäologen-Team auch auf Münzen, Scherben und andere Relikte der Vergangenheit. "An Kleinfunden haben wir eine ganze Menge", berichtet Tschuch. "In einigen Fällen haben wir unter anderem Gürtelreste und Anhaftungen von Textilresten entdeckt." Die Materialien werden gegenwärtig am Standort des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Memmelsdorf (Landkreis Bamberg) eingehend untersucht. "Die Frage ist hier etwa: Waren das Leichengewänder oder handelt es sich um Alltagskleidung?"
Auch wenn die Grabung am Marktplatz in Neustadt seit ein paar Wochen abgeschlossen ist, gibt es nach wie vor die ein oder andere Frage zu klären. "Wir wissen bislang noch nicht, wann der Friedhof begonnen hat." Um derartige Aspekte womöglich noch klären zu können, wurden in Zusammenarbeit mit der Baufirma entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen. Eine sogenannte konservatorische Überdeckung soll nun sicherstellen, dass keine Bodeneingriffe im Bereich des Bodendenkmals stattfinden. "Hier gibt es noch viel Potenzial", hält der Archäologe optmistisch fest.