Keine Maskenpflicht für Saskia
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Dienstag, 06. Oktober 2020
Die geistig behinderte Saskia Ebert hat ein Attest, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Maske zu tragen braucht. Doch im Alltag ist das schwierig.
Für Saskia Ebert ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eine Qual. Die geistig behinderte Frau leidet an allergischem Asthma und ist Brillenträgerin. Ihre Hausärztin Cornelia Winzer hat ihr deshalb auch ein Attest ausgestellt. Aus medizinischen Gründen sei eine Befreiung der Maskenpflicht erforderlich, heißt es darin.
Nach Angaben der Internistin ist die 37-jährige Saskia geistig auf dem Niveau einer Vorschülerin und dementsprechend einzustufen. Doch in der Wefa in Ahorn, wo Saskia arbeitet, herrscht strenge Maskenpflicht - auch am Arbeitsplatz.
Verzwickte Situation
"Saskia weint schon morgens, wenn ich sie an ihre Maske erinnere, und ist fix und fertig, wenn sie nach Hause kommt. Sie leidet körperlich und seelisch", berichtet ihre Mutter Silvia Ebert. Die mangelhafte Sauerstoffzufuhr mache sich bemerkbar. Saskia sei nicht nur müde und erschöpft, sie sei auch aggressiver als sonst. Sie habe sich sogar aus Wut selbst gebissen.
Seit Monaten sucht Silvia Ebert nach einer Lösung für die verzwickte Situation. Im Gespräch mit Geschäftsführer Franz K. Schön prallen allerdings ganz unterschiedliche Interessen aufeinander. Saskias Eltern verstehen, dass der Arbeitgeber natürlich eine Fürsorgepflicht für alle seine Mitarbeiter hat, und akzeptieren, dass die Beschäftigten eine Maske bis hin zum Arbeitsplatz aufsetzen müssen. Doch an der Produktionsstätte selbst müsse es doch möglich sein, durch Trennwände und ausreichend Abstand zwischen den Arbeitsplätzen die Maske abzunehmen. Für Franz K. Schön ist das jedoch keine Option: "Ich muss für einen besonderen Schutz sorgen, da die Menschen, die hier arbeiten, gesundheitlich angeschlagen und empfindlich sind."
Visier keine Option
Nach einem Gespräch mit dem Betriebsarzt sei Saskia ein Visier angeboten worden - was sich jedoch aufgrund ihrer Brille als untauglich herausstellte. Letztendlich bliebe es der Familie überlassen, ob Saskia zur Arbeit komme. Etwa zehn der 300 Beschäftigten in der Wefa Ahorn sind derzeit daheim, weil sie die Maske nicht tragen können. Dabei weiß Franz K. Schön, dass "die Arbeit extrem wichtig für die Behinderten ist".
"In der Zeit, in der Saskia nicht zur Arbeit konnte, war sie völlig desorientiert und zutiefst traurig", erzählt ihre Mutter. Für die 37-Jährige mit autistischen Zügen ist eine Tagesstruktur ganz wichtig, um einigermaßen im Gleichgewicht zu bleiben. Der Lockdown hat die Familie, insbesondere Saskia, an ihre Grenzen gebracht. Keinerlei soziale Kontakte konnte die junge Frau pflegen. Die Angst vor dem Virus, verbunden mit der Angst, ihre Eltern könnten sterben, beherrschte ihr Leben.
Die Möglichkeit, während der Arbeitszeit öfters mal eine Pause im Freien zu machen und dort die Maske abzunehmen, wie Franz K. Schön dem Tageblatt gegenüber anbietet, sei in der Praxis leider nicht wirklich umsetzbar, gibt Silvia Ebert zu bedenken. Sobald Saskia den Arbeitsplatz verlässt, werde sie von Kollegen beäugt. Außerdem leide dann die Produktivität.
Silvia Ebert hat sich jetzt mit Schumacher Packaging in Verbindung gesetzt. Das Ebersdorfer Unternehmen stellt so genannte Corona-Trennwände her. "Ich finde, das wäre doch eine Lösung." Noch gibt es keine Einigung mit dem Geschäftsführer der Wefa. Während Schön über die Maske von einem "niederschwelligen Eingriff mit hoher Wirkung" spricht, versucht Silvia Ebert ihre Tochter zu beruhigen, wenn sie heulend und erschöpft von der Arbeit kommt und ruft: "Maske weg, Maske weg!"