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Keine Kameras im Coburger Kneipenviertel


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Donnerstag, 23. November 2017

Wie lässt sich Coburgs Feiermeile, der Steinweg, sicherer machen? Für eine Videoüberwachung fehlt der Stadt die rechtliche Grundlage.
Immer wieder rückt die Feiermeile Steinweg in den Fokus.  Für 2017 ist die Prognose aber bisher zufriedenstellend: Die Delikte sind auch hier zurückgegangen.Jochen Berger


Paris Hilton mag - sehr frei übersetzt - der Meinung sein, dass für Partygänger nach ein Uhr nachts schon tote Hose ist. Die Coburger Nachtschwärmer, die regelmäßig den Steinweg bevölkern, sehen das offenbar anders, als das von CSU-Stadtrat Prinz Hubertus von Sachsen-Coburg und Gotha zitierte It-Girl. Immer wieder aber gerät Coburgs Kneipenmeile in die Schlagzeilen, sei es wegen verschiedenster Straftaten oder wegen des Lärmpegels, von dem sich so mancher Anwohner gestört fühlt.
Die Sicherheit im Steinweg stand daher am Donnerstag nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung des Stadtrats, und auch die diskutierten Themen sind nicht neu. Zum einen wollte die SBC-Fraktion die Frage geklärt haben, ob man eventuell die Sperrzeit auf die Zeit zwischen 2 und 6 Uhr verlängern sollte (siehe Text rechts). Die Jungen Coburger hätten dagegen lieber eine Videoüberwachung des gesamten Bereiches. Auf einen entsprechenden Antrag hin prüfte die Verwaltung, inwieweit diese rechtlich möglich wäre.


Keine öffentliche Einrichtung

Maßgeblich für die Videoüberwachung durch die Stadt sei das Bayerische Datenschutzgesetz, führte Ordnungsamtsleiter Kai Holland aus. Danach wäre eine Videoüberwachung zulässig, wenn sie im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich wäre, um bestimmte Güter zu schützen. Beides treffe auf den Steinweg nicht zu. Der Steinweg sei eine öffentliche Straße, kein öffentliches Gebäude oder eine Einrichtung, erläuterte Holland. Deshalb sei das Hausrecht nicht anzuwenden.
Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben liege als Argument zwar nahe, denn die Stadt sei ja auch Sicherheitsbehörde, "aber unsere Aufgabe ist die Prävention" - und dazu sei die Videoüberwachung nicht das geeignete Mittel. Die Polizei dagegen sei neben der Prävention vor allem für die Aufklärung von Straftaten zuständig. In der Verwaltung sei man - gestützt durch den Deutschen Städtetag - der Meinung, dass dort eine Videoüberwachung sinnvoll angesiedelt wäre. Holland schlug daher vor, die Polizei solle eingenständig prüfen, ob sie im Steinweg eine Videoüberwachung installieren wolle.
Ein reiner Kenntnisnahme-Beschluss war Jürgen Oehm (CSU) allerdings bei diesem Thema zu wenig. Er wollte eine "politische Willenserklärung" im Beschluss haben. "Damit wir der Polizei sagen können, wir würden es von unserer Seite begrüßen, wenn sie die Videoüberwachung machen", argumentierte Oehm. Dafür fand er letztlich auch eine Mehrheit, der Stadtrat stimmte mit 20:12 für den ergänzten Beschluss.


Nachts mehr Polizeipräsenz

Hans-Herbert Hartan (CSU) wollte zuvor allerdings genauer wissen, welche Präventionsmaßnahmen die Stadt in Sachen Steinweg konkret ergriffen habe. Holland verwies unter anderem auf den Ordnungsdienst, der die Polizei tagsüber in diesem Bereich entlaste, "damit nachts mehr Beamte tätig sein können". Außerdem stehe die Stadt in Kontakt mit den Gastronomen und führe regelmäßig Kontrollen mit städtischem Personal durch. "Wir unterstützen auch die Polizei, Anzeigen werden konsequent verfolgt." Weitere Argumente nannte Holland in der Diskussion um die Sperrzeitverordnung.
Dass das Thema Videoüberwachung bei der Polizei besser aufgehoben ist, als bei der Stadt, wollte Kurt Knoch (CSU/JC) gar nicht bestreiten. "Das entbindet uns aber nicht davon, eine eigene Meinung zu unser aller Sicherheit zu haben." Der Stadtrat müsse seine Meinung artikulieren, "damit die Polizei weiß, wie wichtig uns das ist". Schließlich halte sich in der Nacht ein großer Teil der Jugend im Steinweg auf, so Knoch. "Da ist es notwendig, eine entsprechende Überwachung zu haben. Das wäre präventiv und gut für das Sicherheitsgefühl der Feiernden." Außerdem würde eine Videoüberwachung dafür sorgen, dass genau diejenigen herausgegriffen werden könnten, die Ärger machten.
Petra Schneider (SPD) hält eine Videoüberwachung dagegen für völlig übertrieben. "Wir wohnen in Coburg, nicht in Frankfurt. Ich kann diese Aufgabe daher nicht an die Polizei weitergeben."


Sperrzeitverordnung erst einmal vom Tisch

Einen Antrag auf Sperrzeitverlängerung hatte die CSU schon 2012 gestellt, der sei allerdings "im Geschäftsgang verschwunden", wie Hans-Herbert Hartan (CSU) kritisierte. Nach immerhin fünf Jahren sei es nun aber höchste Zeit, Farbe zu bekennen und eine Entscheidung zu treffen. Und die traf der Stadtrat am Donnerstag Mit 28 zu sieben Stimmen lehnte das Gremium den Erlass einer Sperrzeitverordnung ab. Das heißt, bis auf weiteres gilt die Regelung aus dem Jahr 2005, als die Sperrzeit auf die sogenannte Putzstunde zwischen 5 und 6 Uhr verkürzt wurde.
Grundsätzlich, so erläuterte Ordnungsamtsleiter Kai Holland, seien für eine Sperrzeitverordnung ein öffentliches Bedürfnis oder besondere örtliche Faktoren Voraussetzung. Außerdem müssten öffentliche und private Interessen abgewogen werden. Das Ordnungsamt hat dies unter verschiedenen Aspekten geprüft und kommt zum Fazit, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Der Coburger Entsorgungs- und Baubetrieb kümmere sich sehr gut um die durchaus intensivere Verschmutzung im Steinweg, so Holland. Was die oft zitierte Lärmbelästigung angehe, so lägen weder dem Ordnungsamt noch der Polizei aktenkundig verwertbare Fälle vor.
Was die, wie Holland zugibt, schummrige Beleuchtung im Steinweg angeht, sei man mit den SÜC schon dabei, Lösungen zu suchen. Es gebe die Möglichkeit, die Beleuchtung zu bestimmten Zeiten mit neuer LED-Technik heller zu machen, teilweise sei das sogar schon geschehen.


"Aggressionsdelikte" rückläufig

Zu den oft zitierten Aggressionsdelikten konnte Holland Zahlen liefern: Gemeinsam mit der Polizei wurden alle Delikte von 2016, zwischen 0 und 6 Uhr, ausgewertet. Dabei müsse man die Berechnung sehen, betonte Holland. Wenn es eine Schlägerei mit vier Personen gebe, erfasse die Polizei vier einzelne Ereignisse. Fasse man die insgesamt 84 gemeldeten Taten 2016 zusammen, blieben am Ende deutlich weniger Delikte übrig.
Für 2017 sehe die Prognose bisher sehr gut aus, berichtete Holland: Die Aggressionsdelikte im Stadtgebiet seien insgesamt rückläufig, im Steinweg auch, wenn auch etwas weniger stark. Die Polizei setze seit August mehr Personal im Steinweg ein, spreche auch Ortsverweise aus, die Staatsanwaltschaft verfolge Delikte konsequent. Ein "netter Nebeneffekt": Das Jugendamt sei durch die Suche nach Lösungen wieder mehr an die Polizei herangerückt.
Max Forkel (CSU/JC), mit fast 24 Jahren der Jüngste im Stadtrat, brach eine Lanze für den Steinweg. Ja, es krache dort manchmal, aber längst nicht so schlimm, wie oft behauptet, und zu einer Stadt gehöre ein ordentliches Kneipenviertel. "Mit einer krassen 2-Uhr-Regelung würden wir die Kneipenszene zerstören. Die Leute würden zum Feiern einfach wegfahren." Er erinnere nur an die dann drohenden Disco-Unfälle.


Sprüche zur Sperrzeit

"So jetzt kommt die Gegendemo - Herr Oehm bitte!"
OB Norbert Tessmer zu Jürgen Oehm, der sich nach Maximilian Forkel zu Wort gemeldet hatte.

"Bei Wildpinklern hilft eine hellere Straßenbeleuchtung, aber doch nicht gegen solche Delikte."
Jürgen Oehm (CSU)

"Wir halten die Maßnahmen für ausreichend. Wir wollen nicht dafür verantwortlich sein, wenn der Max (Forkel) jetzt immer daheim bleiben muss."
Jürgen Heeb (WPC)

"Heerscharen von Eltern wären wohl froh, wenn ihre Sprösslinge eher und vor allem nüchterner wieder nach Hause kämen."
Hans Herbert Hartan (CSU)

"Die Freiheit vieler sollte nicht eingeschränkt werden, nur weil sich einzelne nicht benehmen können."
Franziska Bartl (SPD)