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Keine Angst vor großen Gefühlen


Autor: Jochen Berger

Bad Rodach, Mittwoch, 30. Juli 2014

Der aus Vorarlberg stammende Tenor Michael Hein ist bekennender Operettenfan. Er hat schon mit zahlreichen renommierten Dirigenten gearbeitet. Warum er sich auf sein Debüt auf der Heldritter Waldbühne freut, verrät er im Gespräch.
Foto: Jochen Berger


Sein Leben als freischaffender Sänger ist für Michael Hein bereits die zweite berufliche Karriere. Zuvor arbeitete er als Kulturjournalist in seiner Heimat Vorarlberg.

Sie singen in der "Zirkusprinzessin" die männliche Hauptrolle des geheimnisvollen Mister X. Was reizt Sie an dieser Partie?
Michael Hein: Vor genau 20 Jahren war der Mister X meine erste große Rolle - bei einer Produktion in der Gemeinde Thüringen in Vorarlberg, wo ich aufgewachsen bin. Dass ich diese Rolle jetzt hier in Heldritt singen kann, ist toll, da schließt sich irgendwie der Kreis. "Die Zirkusprinzessin" ist ja eine ganze Weile fast gar nicht mehr gespielt worden. Jetzt allerdings gibt es gleich mehrere neue Produktionen, zum Beispiel in München, in Augsburg oder in Baden bei Wien.

Zwei Tenor-Kollegen, die schon in Heldritt auf der Waldbühne gesungen haben, haben zu mir gesagt: Da musst Du unbedingt mal singen.

Was ist die besondere Herausforderung bei dieser Rolle?
Diese Partie ist einfach sehr umfangreich. Meines Wissens ist sie die umfangreichste Tenorrolle aller Operetten. Der Mister X hat in jedem Akt eine Arie, hat in jedem Akt zwei Duette und ist auch in den Finals sehr umfangreich beteiligt. Stimmlich geht die Rolle schon ins Heldische, das passt gerade jetzt sehr gut zu meiner Entwicklung. Denn in den nächsten Jahren werde ich mich ins jugendliche Heldenfach orientieren - Don José in Carmen, den Max im "Freischütz" und in ein paar Jahren vielleicht den Lohengrin. Der Mister X ist so schwer wie der Max - eigentlich fast noch schwerer, weil er mehr zu singen hat.

Wie würden Sie "Die Zirkusprinzessin" als Werk charakterisieren?
Das Libretto ist ganz fantastisch. Im Grunde ist es ein romantisches Märchen mit großen Gefühlen. Sicher gibt es da auch ganz viel Operettenschmalz, wenn man das so sagen will, aber ich stehe total hinter diesen großen Gefühlen. Die Musik ist eigentlich hochkompliziert, ganz weit weg von jedem billigen Schlager. Sie fängt die Sonnenseiten des Lebens ein.

Operette und Oper - wo ist der Unterschied aus Ihrer Sicht?
In der Operette muss man wirklich als Schauspieler gut sein, sonst hat man verloren. Bei der Operette muss man immer mit ganzem Herzen und ganzer Seele dabei sein, sonst sollte man das besser gar nicht machen. Viele haben ja Angst, zu großen Gefühlen zu stehen. Über die Operette macht man sich ja gerne lustig. Doch viele Opernregisseure scheitern, wenn sie's mal in der Operette probieren.

Sie haben schon Freiluft-Erfahrungen gesammelt zum Beispiel in Steinbach-Langenbach ganz in der Nähe hier oder in Bregenz. Was ist Ihr erste Eindruck von der Waldbühne Heldritt?
Die Akustik ist fabelhaft. Hier singt es sich fast wie in der Badewanne. Ich freue mich, hier zu sein.

Haben Sie Angst vor den Unwägbarkeiten des Wetters?
Überhaupt nicht. Ich habe es jedenfalls noch nicht erlebt, wie es ist, bei Regen zu singen.

Sie arbeiten seit 15 Jahren als freischaffender Künstler. Ist diese freischaffende Tätigkeit eher befreiend oder eher belastend, weil man immer wieder auch auf neue Engagements warten und hoffen muss?
Ich empfinde es eher als befreiend - auch, weil man mehr Zeit hat zwischen den Produktionen. Und die braucht man auch, um sich auf neue Projekte vorzubereiten. Im festen Engagement hat man zwar auf der einen Seite die Sicherheit, aber auf der anderen Seite hat man keine Planungsfreiheit. Ich lebe seit 14 Jahren in Dresden, wo ich regelmäßiger Gast an der Staatsoperette bin und schon an die 25 Rollen gesungenen habe. Ich bin viel unterwegs - außer in Australien habe ich schon auf jedem Kontinent gesungen. Von Heldritt aus geht es dann nach Amerika, ich habe Konzerte in Washington und Miami. Nächstes Jahr singe ich in Mörbisch den Herzog in "Nacht in Venedig". Bei der Weltausstellung in Mailand nächstes Jahr singe ich den Eisenstein in der "Fledermaus".

Das Gespräch führte
Jochen Berger.