Kein sozialer Frieden in Sicht? Der VdK mahnt in Ahorn
Autor: Bettina Knauth
Ahorn, Freitag, 03. Februar 2017
Der VdK setzt 2017 auf die "Kraft der Masse". Für den 29. Juli ist eine Großveranstaltung in Coburg geplant.
"Soziale Spaltung stoppen": Unter diesem Motto zieht der Sozialverband VdK in das Wahljahr 2017. "Rente muss zum Leben reichen!", "Armut muss bekämpft werden!", Gesundheit und Pflege müssen bezahlbar sein!" und "Behinderung darf kein Nachteil sein!" lauten die vier Forderungen der sozialpolitischen Interessenvertretung. "Wir wollen erneut beweisen, dass der VdK politisch neutral, aber nicht unpolitisch ist", sagte Bezirksgeschäftsführer Roland Sack gestern bei der Jahrespressekonferenz des Bezirksverbandes Oberfranken im Ahorner Bürgerhaus Linde.
Für Landesgeschäftsführer Michael Pausder gibt es "keine bessere Prävention gegen Kriminalität und Politikverdrossenheit als soziale Sicherheit": "Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich ist, umso mehr ist der innere Frieden bedroht."
"Heißer politischer Sommer"
In Coburg wird der VdK am 29. Juli "den Bundestagskandidaten auf den Zahn fühlen". Bei der geplanten Großveranstaltung im Kongresshaus Rosengarten möchte der Sozialverband die Politiker mit seinen Forderungen konfrontieren und seine Mitglieder zu Wort kommen lassen. "Das wird der krönende Abschluss unseres heißen politischen Sommers sein", kündigte Pausder an. Vom 19. bis 23. Juni soll erneut eine Aktionswoche stattfinden, nach dem Erfolg der bundesweiten VdK-Kampagne "Weg mit den Barrieren!" im vergangenen Jahr.Zentrales Thema des VdK bleibt die Rente. Hellmut Ott, Vorsitzender des Kreisverbands Coburg, widerlegte populäre Aussagen, um seiner Forderung einer "nachhaltigen Rentenpolitik" Ausdruck zu verleihen. So sei es "schlichtweg falsch", dass es "den Rentnern noch nie so gut gegangen ist wie heute". Die gestiegenen Auszahlungsbeträge hätten den Kaufkraftverlust von 5,6 Prozent bei den Alters- und 18 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten (2000 bis 2015) nicht wettmachen können. Verantwortlich sei vor allem die Entkoppelung der Renten von der allgemeinen Lohnentwicklung. "4608 Oberfranken ab 65 Jahren und 4350 bedürftige Erwerbsminderungsrentner müssen von Grundsicherung leben", berichtete Ott.
Die Erwerbsminderungsrente ist mickrig
Weiter sei es falsch, dass gut versorgt sei, wer krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten könne. "96 Prozent aller Bezieher einer Erwerbsminderungsrente hören mit vollen Abschlägen von 10,8 Prozent auf", führte der Kreisvorsitzende aus. Dies sei ungerecht, zumal diese später auch für die Altersrente gelten: "Wer wegen einer Krankheit früher in Rente gehen muss, darf nicht genauso behandelt werden wie jemand, der dies freiwillig tut und bewusst Abschläge in Kauf nimmt." Sonst bleibe "sein Leben lang arm", wer mit einer solchen Rente aufhöre. Altersarmut nehme auch in Bayern zu, betonte Ott. Als gefährdet gelte, wer weniger als 1025 Euro beziehe (Einpersonenhaushalt). "Männer, die 2015 in Altersrente gingen, erhielten in Oberfranken durchschnittlich nur 30 Euro über der Armutsgrenze", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende. Frauen lagen mit 630 Euro im Mittel sogar 395 Euro darunter. Bei den über 65-Jährigen seien fast ein Viertel der Frauen und ein Fünftel der Männer von Armut bedroht, führte Pausder aus. Betriebliche und private Vorsorge käme für die Betroffenen meist nicht infrage, schilderte Ott. Auch würde eine verlängerte Lebensarbeitszeit die prekär Beschäftigten, Arbeitslosen oder Kranken nur noch tiefer in die Armut rutschen lassen.
Jünger als gedacht?
Ein deutlich zunehmender Beratungsbedarf beschere dem VdK stetig wachsende Mitglieder, berichtete Sack. 2016 hätten allein in den neun oberfränkischen Kreisgeschäftsstellen rund 42.000 Beratungen stattgefunden, aus denen fast 10.100 Anträge auf Sozialleistungen resultierten. Der Schwerpunkt liege auf Anträgen zum Beispiel von Rentnern. "Der VdK ist deutlich jünger als manche glauben", sagte Pausder. In Oberfranken liegt das Durchschnittsalter bei 62 Jahren. Gerade im Alter zwischen 50 und 60 Jahren träten für die Erwerbstätigen Probleme mit Krankheit, Behinderung und Erwerbsminderung auf. Dass die Mitgliederzahl 2016 in Oberfranken um fast 5300 auf 88.750 gesteigert werden konnte, führte der Bezirksgeschäftsführer auch auf das "rege Verbandsleben" in den 304 Ortsverbänden zurück: "Die Betreuung vor Ort ist eines unserer Erfolgserlebnisse." An die Pressekonferenz schloss sich die gut besuchte Jahresauftaktveranstaltung des VdK-Kreisverbandes Coburg an.