Kaviar-Connection: Lintner verteidigt Zahlungen aus Baku
Autor: Redaktion
Münnerstadt, Dienstag, 19. Oktober 2021
War der Münnerstädter CSU-Politiker einer der Drahtzieher in einem Bestechungs-Netzwerk, mit dem die autoritären Herrscher aus Aserbaidschan ihren Ruf aufpolieren wollten?
Wenn man Eduard Lintner auf seine Verbindung zur Affäre um die Aserbaidschan-Connection und die damit verbundenen dubiosen Millionenzahlungen anspricht, wird er deutlich: "Ich bin nicht bestechlich", sagt der 77-jährige CSU-Politiker aus Münnerstadt mit ärgerlichem Unterton. Dass er das auf seine alten Tage dauernd wiederholen muss, ist Lintner hörbar lästig: Wer spricht schon - erst recht als angesehener Politik-Rentner und früherer Staatssekretär im Bundesinnenministerium - gerne über Themen wie heimliche Einflussnahme und Bestechung? Aber seit drei Jahren nagen die Vorwürfe nun schon am Ruf Lintners. Mit dem für ihn unangenehmen Thema ist er - über ein Jahrzehnt nach dem Abschied aus dem Bundestag - häufiger in den Schlagzeilen, als so mancher aktive Abgeordnete.
Netzwerk mit Schmiergeld betrieben?
Der CSU-Politiker ist auf seine alten Tage unter Rechtfertigungsdruck geraten für Vorwürfe, die ihn unerwartet eingeholt haben: Staatsanwälte und Journalisten gehen dem Verdacht nach, ob Eduard Lintner als Lobbyist mit viel Schmiergeld ein politisches Netzwerk betrieb, um den zweifelhaften Ruf der Herrscherfamilie aus Aserbaidschan aufzupolieren, die das Land am Kaspischen Meer autoritär regiert.
Ein wenig ist Corona mit daran schuld, dass der Mantel des Schweigens nicht über dem schmutzigen Thema blieb. Denn in der Pandemie wuchs die Empörung über gut bezahlte deutsche Politiker, die mit dubiosen Nebengeschäften mit Schutzmasken als Abzocker buchstäblich demaskiert wurden. Das spülte auch den Fall um die sogenannte Kaviar-Connection wieder hoch - eine Affäre, über die längst Gras gewachsen schien und in der Eduard Lintner eine zentrale Rolle spielt.
Lintner blickt auf eine erfolgreiche Laufbahn zurück, wurde lange in einem Atemzug mit einflussreichen Politikgrößen in Unterfranken wie den früheren Bundesministern Wolfgang Bötsch und Michael Glos genannt. Der Geflüchtete aus dem Sudetenland studierte in Würzburg Jura. Seine politische Karriere begann als Gemeinderat in Erlabrunn (Lkr. Würzburg) im Jahr 1972, nach seinem Umzug nach Münnerstadt stieg er rasch in die Bundespolitik auf. Von 1976 bis 2009 saß der CSU-Politiker im Bundestag. Seit 1999 gehörte er der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union an. Von 2002 bis 2005 war er Vorsitzender des Rechts- und Menschenrechtsausschusses.
2013 Überraschung im Europarat
Der viermal im Jahr tagende Europarat ist so etwas wie der Hüter der Menschenrechte in den 47 Staaten Europas. Doch 2013 fand dort ein kritischer Bericht zur Lage der Menschenrechte in Aserbaidschan überraschend keine Mehrheit - möglicherweise wegen Lobbyarbeit und Korruption. Dazu kamen offenbar vom Regime in Baku gesponserte Reisen deutscher Politikerinnen und Politiker nach Aserbaidschan, die jedoch - anders als kritische Wahlbeobachtende - keine demokratischen Unregelmäßigkeiten in dem Land entdecken konnten.
Staatsanwaltschaft München ermittelt
Das nährte den Verdacht, Lobbyistinnen und Lobbyisten aus Deutschland, Belgien und Italien hätten gegen Bestechung Einfluss genommen. Eine tragende Rolle dabei soll Lintner gespielt haben: Die Generalstaatsanwaltschaft München untersucht, ob die in Verdacht geratenen Politikerinnen und Politiker Teil eines Netzwerkes waren, das mit viel Geld aus Baku gespeist wurde. Der Vorwurf basiert auf einem internen Untersuchungsbericht des Europarates von 2018, der dieser Redaktion vorliegt.
Der 200-Seiten-Report enthält massive Vorwürfe gegen Lintner. Demnach soll er auf Umwegen über Konten in Großbritannien - und teilweise auf bis zu zwölf Zahlungen gestückelt - rund 800 000 Euro kassiert haben, die er teilweise an Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk weitergeleitet haben soll. Die Konsequenz: Lintner wurde das Betreten des Europarates auf Lebenszeit verboten.