Jeder Satz ein Kampf mit der Welt
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Freitag, 17. Mai 2019
Der fünfte Coburger Rückert-Preis wurde an die indische Autorin Sara Rai vergeben. Vom Sinn, aus einer kleinen Stadt über die Kontinente hinweg zu wirken.
Ihr Werk sieht aus unserem Blickwinkel nicht gerade riesig aus: Hindi-Kurzgeschichten 1997, 2005, ein weiterer Erzählband 2015. Sara Rais bisher einziger Roman erschien 2010 "Das Milanenhaus". Auf Deutsch liegen erst seit 2013 Übersetzungen durch Johanna Hahn, eine promovierte Südasienwissenschaftlerin, vor. Darüber hinaus ist Sara Rai mit verschiedenen Essays und als Herausgeberin hervorgetreten.
Am Donnerstag wurde der in Indien namhaften Autorin Sara Rai, Tochter aus seit Generationen maßgeblicher Literatenfamilie, der Coburger Rückert-Preis durch Oberbürgermeister Norbert Tessmer verliehen, in Anwesenheit führender gesellschaftlicher Vertreter und des indischen Generalkonsuls für Bayern und Baden-Württemberg, Augaridh Kajaram.
Jedes Mal wieder verursacht die Vergabe des Coburger Rückert-Preises ein ambivalentes Gefühl. Dem Sprachengenie Friedrich Rückert folgend, greift die global gesehen ja eher kleine Stadt Coburg sehr, sehr weit aus in ferne Sprachräume. Lächelnd dankte Sara Rai, eine (scheinbar) in sich ruhende Frau mit langem, grauen Haar und in feinem Sari, in ihrer auf Englisch gehaltenen Rede "aus einem weit entfernten Land". Wie ihre Vorgänger betonte sie, wie wichtig und ermutigend das Signal dieses Preises für die Literatur in ihrer Welt sei. Für sie sei es "Genugtuung für ihre Jahre des einsamen Schreibens".
Tatsächlich gehört Sara Rai zu den Schriftstellern, für die Schreiben "schwer" ist. "Mit jedem Satz nehme ich den Kampf mit der Welt auf". Denn sie will gerade in der oft grausamen Realität des indischen Subkontinents "Stellung beziehen" und dem "Marginalisierten eine Stimme geben".
Auch die Indologin Ines Fornell, die in ihrem Vortrag die vielfältige und geradezu staunenswerte Sprachenwelt des indischen Subkontinents beleuchtete, betonte, dass der Rückert-Preis mittlerweile ein "enormes nationales und internationales Renommee" gewonnen habe. - Also dann: Weltpoesie allein ist Weltversöhnung, lautete die Überzeugung Rückerts. Warum mit der Versöhnung nicht im (scheinbar) Kleinen anfangen, zumal in einer digitalen Welt Entfernungen keine entscheidende Rolle mehr spielen.
Lieblingsregion Rückerts
Der Dichter, Orientalist und Übersetzer Friedrich Rückert, 1788 in Schweinfurt geboren, war "Coburger" geworden. Er lebte von 1820 bis zu seinem Tod 1866 in Neuses. Er habe 44 Sprachen, vor allem des Nahen und Mittleren Ostens, jeweils in kürzester Zeit erlernt, das klassische Sanskrit etwa, indem er 1061 Seiten eines englischen Lexikons abschrieb, wie es die Jury-Vorsitzende Claudia Ott, Arabistin an den Universitäten Erlangen und Göttingen, beim Festakt im Riesensaal der Ehrenburg berichtete. Er brachte die orientalische Literatur durch seine bis heute geschätzten Übersetzungen in deutsches Bewusstsein.
Indem man sich mit der fünften Vergabe des Rückert-Preises diesmal dem indischen Sprachraum mit seinen Jahrtausende alten literarischen Traditionen und auf vier großen grundsätzlichen Sprachgruppen basierenden Vielfalt zuwandte, habe man eine Lieblingsregion Rückerts ins Blickfeld genommen, so Claudia Ott.