Druckartikel: Jede Menge Verkehr im Nadelöhr

Jede Menge Verkehr im Nadelöhr


Autor: Bettina Knauth

Autenhausen, Sonntag, 27. August 2017

Weil die B 303 bei Oberelldorf derzeit gesperrt ist, quält sich eine Blechlawine durch die Seßlacher Stadtteile Dietersdorf, Autenhausen und Gemünda.
Engpass: Die Ortsdurchfahrt von Autenhausen ist als Umleitungsstrecke für die gesperrte Bundesstraße 303 ausgewiesen. Die Anwohner sind alles andere als glücklich über den Verkehr, der ihnen im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor der Nase herum fährt. Foto: Bettina Knauth


Seit dem 1. August brauchen die Anlieger der Ortsdurchfahrt gute Nerven. Denn seit diesem Tag rollen die Fahrzeuge auf dem Weg Richtung Schweinfurt statt über die Bundesstraße auf der Staatsstraße 2204 unter anderem durch Dietersdorf, Gemünda und Autenhausen. Bis Ende des Jahres soll die Sperrung bei Oberelldorf dauern, weil dort die Ortsdurchfahrt ausgebaut wird.
"Katastrophal" nennt Rosemarie Scharpf die Situation. 39 Lastwagen zählte sie am Anfang in einer halben Stunde. Gleich am ersten Abend habe ein Laster das Vordach ihres Hauses beschädigt. Kein Wunder, schließlich reicht das Gebäude aufgrund des fehlenden Gehsteigs fast bis zum Straßenrand. "Daraufhin haben wir vor dem Haus Pflanzkübel aufgestellt", sagt Scharpf. Nachbarn taten es ihnen gleich.
"Die Laster fahren so weit rüber, dass Du meinst, sie nehmen Dich mit", bestätigt Nicole Scharpf, die nur ein paar Meter weiter wohnt. Besonders problematisch sei es, wenn sich an der Engstelle Lastwagen begegnen. Da bleibe dann nur der Gehweg, um aneinander vorbeizukommen. Die Einheimischen erzählen, dass sogar einmal zwölf Brummis die Straße blockierten, weil ihnen das Ausweichen wegen der am Straßenrand zur Leerung stehenden Mülltonnen unmöglich war. Besonders sorgt sich Nicole Scharpf, wie die Kinder nach Ferienende sicher bis zur Bushaltestelle kommen sollen. Das Fahrrad ihres Jüngsten, des neunjährigen Kevin, hat sie vorsichtshalber erst einmal weggeschlossen.
Vergangene Woche haben die Scharpfs spontan ein Schild gemalt: "Hier ist keine Rennstrecke!" Die 37 Jahre alte Scharpf hätte die Lastwagen lieber heute als morgen aus ihrem Dorf. Obwohl die Fahrer "ja auch nur ihren Job machen", räumt ihr Lebensgefährte Mario Rückemann ein. Er hat hinter dem Steuer eines Lasters gesessen und weiß, unter welchem Zeitdruck die Fahrer stehen. Seine Freundin nickt und sagt: "Klar, die müssen ihre Zeit reinholen. Dann fahren sie wie verrückt."


Es gibt keine Alternative

Auf ein baldiges Ende der Verkehrssituation kann ihnen der für den Ausbau zuständige Projektleiter Harald Schnappauf von der Servicestellen Kronach des Staatlichen Bauamtes Bamberg wenig Hoffnung machen: "Uns steht keine adäquate Umleitung zur Verfügung." Eine Hauptverbindungsader wie die 303 zu unterbinden sei problematisch. Während die Straße ausgebaut werde, müsse der Verkehr schließlich irgendwo hin. Dass das Durchkommen durch die Orte "nicht berühmt" ist, räumt Schnappauf ein, andererseits müsse "eine Staatsstraße ein gewisses Verkehrsaufkommen aushalten".
Nach Besuchen und Zählungen vor Ort hat Schnappauf den Eindruck "eines überschaubaren, wenn auch gestiegenen Verkehrs". Dennoch nehme man die Informationen der Anwohner ernst. Der Projektleiter verspricht: "Falls die Verkehrsituation aus dem Ruder läuft, werden wir reagieren." Die Stadt Seßlach reagierte ebenfalls auf die Sorgen und Ängste der Bürger, sagt Geschäftsleiter Bernd Vogt und verweist auf die bereits erfolgten Nachbesserungen entlang der Umleitung.
Auch beim Landratsamt sind Proteste eingegangen, wie Timo Sommerluksch von der Straßenverkehrsbehörde bestätigt. Da Autenhausen und Gemünda sonst in einer "glücklichen Situation" mit wenig Verkehr leben, treffe die Orte die jetzige Verkehrssituation besonders hart. "Doch handelt es sich dabei um eine begrenzte Zeit", wirbt Sommerluksch um Verständnis.
Großräumige Umleitungen über die Autobahnen 70, 71, 73 und die Bundesstraßen 4 und 173 sollten die lokale Umleitung entlasten, doch wurden diese Umwege zumindest anfänglich wenig genutzt. Nach einem Ortstermin am 17. August wurde die erlaubte Geschwindigkeit in den Durchfahrten teilweise gesenkt, Halteverbote erwirkt und eine Bedarfsampel für Fußgänger in Dietersdorf aufgestellt. Die Schilder mit Tempo 30, die sich die Anwohner gewünscht hatten, veranlassen die Lenker nach Ansicht von Nicole Scharpf nicht dazu, den Fuß vom Gas zu nehmen - ebenso wenig wie Geschwindigkeitsmesstafel.
Besser fände Scharpf Radarkontrollen. "Die wären theoretisch möglich - praktisch aber schwierig", sagt Ulrich Bosecker von der Polizei Coburg. Den Richtlinien entsprechend, müsse man einen Abstand von 200 Metern zum vorstehenden Verkehrsschild einhalten. Dann wären man in Autenhausen bereits in der Ortsmitte, wo alle Verkehrsteilnehmer wegen der Kurve gezwungen sind, langsam zu fahren. Auch Harald Schnappauf glaubt nur an "mäßige" Erfolge bei solchen Kontrollen: "Sie würden den einen oder anderen Fremden erwischen, aber bestimmt auch manchen Einheimischen."
Subjektiv möge den Anwohnern die Geschwindigkeit hoch vorkommen, Nach seinem Eindruck hat sich der Verkehr bereits zum Teil andere Wege gesucht, "das dauert in der Regel ein bis zwei Wochen." Spätestens im September werde kaum ein Lkw mehr die aktuelle Ausweichstrecke nutzen, prophezeit Sommerluksch: "Dann sperren wir die B 303 bei Ahorn noch einmal."