Jean Pauls 250.Geburtstag wird in ganz Oberfranken gefeiert. Die Planungen des Vereins "Jean Paul 2013" laufen seit vier Jahren. Bis Dezember wird gelesen und getextet, was des Meisters Werk hergibt. Speziell auch in Coburg.
Ist Jean Paul in Bayreuth etwa doch der größere Kopf? Größer als Richard Wagner? Die bedruckten Fahnen vor dem Neuen Rathaus lassen es vermuten. Der Wind fährt unter den Stoff, verwirbelt das mannshohe Konterfei des Dichters, während sich der Komponist daneben mit weniger Stirn umfang begnügt. Lässig hängt der Ton- neben dem Wortschöpfer. 132 Mal flattert das Duo im Gleichklang der Lüfte in jener Stadt, die als Wagnerstadt zu bezeichnen in diesem Jahr nur die halbe Wahrheit wäre.
Zugegeben: Jean Paul, der eigentlich Johann Paul Friedrich Richter heißt, hat keinen leichten Stand in der heutigen Rezeption, obgleich sein Stand in Sachen Wortkunst unbestritten ist. Die labyrinthische Form seiner Werke, seine ornamentale Sprache und Ausflüge in entlegene Wissensgebiete ließen manchen rätselnd zurück. Ohne Navi verliert man sich bei Jean Paul leicht in Seitengassen.
"Wir wollen ihn wieder populär machen. Denn sein gesellschaftskritischer Ansatz ist heute wieder modern ", sagt Julia Knapp und ihre Finger flitzen durch das 280 Veranstaltungen umfassende Programmheft. Die 28-Jährige mit der Nana-Mouskouri-Gedächtnisbrille ist als Geschäftsführerin des Vereins "Jean Paul 2013" die treibende Kraft hinter der Buch gewordenen Angebotsvielfalt - immerhin feiern ganz Oberfranken und die halbe Republik plus angrenzendes Ausland den Sprachgewaltigen. Totgeglaubte leben bekanntlich länger. Jean Paul war nie wirklich gestorben. Und wie die vielfältige Annäherung an das Schaffen des Mannes mit dem geschliffenen Wort beweist, feiert er geradezu Auferstehung.
Doppellesung am 12.
März Beteiligt daran sind unter anderem zwei Künstler, die sich rühmen dürfen, Jean-Paul-Preisträger zu sein: Autor Eckhard Henscheid und Satiriker Gerhard Polt nähern sich am 12. März (19.30 Uhr) in einer Doppellesung in der Bayreuther Stadthalle dem Phänomen JP. Auf Einladung des Coburger Literaturkreises wird Eckhard Henscheid am 27. September auch in der Vestestadt aus seinem Buch über den berühmten Autor lesen.
Den eigentlichen Startschuss ins Jubeljahr gibt Jean Pauls Geburtsstunde am 21. März Schlag 1.30 Uhr. Dann wird in Wunsiedel das restaurierte Geburtszimmer eingeweiht - und zugleich ein Hingucker im öffentlichen Raum enthüllt: eine Litfaßsäule mit Informationen zum Dichter und was er einst trieb an jenem Ort. 25 dieser Info-Rundlinge erinnern in 25 Städten Deutschlands und in Tschechien daran, dass ein Dichterfürst von Rang dereinst auch ihr Fleckchen beehrte.
In Coburg wird am Kirchplatz, ganz in der Nähe seines Wohnhauses in der Gymnasiumsgasse, eine dieser Litfaßsäulen aufgestellt.
Säusack in Coburg Pünktlich zu Jean Pauls Geburtstag am 21. März werden Brigitte Maisch und Edmund Frey auch ihr Lesebuch: "Säusack, Schwanenkiele und sehr schöne Gesichter: Jean Paul in Coburg", herausgegeben von der Historischen Gesellschaft, in der Stadtbücherei vorstellen. Dort wird auch eine Ausstellung mit Illustrationen von Stephan Klenner-Otto unter dem Titel "Ein Radierer sieht Jean Paul" eröffnet. Im Laufe des Jahres folgen in Coburg eine Reihe weiterer Veranstaltungen, etwa ein Schreibwettbewerb und eine lange Jean-Paul-Nacht mit dem Titel "Tutti- oder Simultanliebe" in Zusammenarbeit mit dem Landestheater.
Am 2.
Mai wird der Diplompädagoge Manfred Weidinger im Casimirianum zum Thema "Erziehung zum Menschen? Jean Pauls Pädagogik in seiner Erziehlehre 'Levana'" referieren. Jean Paul als Wunderheiler (Bier, Wein, Opium und anderes als "Heilmittel") stellen Edmund Frey und Brigitte Maisch mit ärztlicher Analyse der angewandten Verfahren bei einer Lesung am 9. Oktober im Bürglaßschlösschen vor.
Am 22. Oktober geht es in der Stadtbücherei um Jean Paul und Charlotte von Kalb: "Aber es passet nicht zu meinen Träumen". Die Autorin Ursula Naumann liest aus ihrer Biografie "Schillers Königin. Das Leben der Charlotte von Kalb". Gertrud Plescher-Fahnler stellt ab 14. November dort unter dem Titel "Das Himmelblau in uns" Zeichnungen und Malerei zu Jean Pauls Werk aus.
In die Rollwenzelei In Bayreuth kommt es ab 21. März zu einem regelrechten Veranstaltungsmarathon.
Zunächst wird um 11 Uhr das umgebaute Jean-Paul-Museum wieder eröffnet, das in der Richard-Wagner-Straße (!) liegt. Um 19 Uhr beginnt der Festakt in der Stadthalle mit der ersten Uraufführung aus dem Komposi tions- wettbewerb "Wär' ich ein Ton", den der Verein international ausgeschrieben hat.
Fränkisches Bier schätzte Jean Paul über alle Maßen. Im Juli und August kann man dort ein Frischgezapftes trinken, wo dies einst der Dichter selbst getan hat: In der Rollwenzelei in der Königsallee wird es an vier Nachmittagen einen Biergarten betrieb mit Lesungen geben.
Empfehlung zum Einstieg Die Literaturwissenschaftlerin Julia Kopp hofft, dass im Jubiläumsjahr möglichst viele Leser einen Text von Jean Paul zur Hand nehmen: "Leute, die wirklich anfangen, die mögen ihn, die lesen ihn auch weiter.
Man darf Jean Paul eben nicht lesen wie einen Roman des 21. Jahrhunderts. Es funktioniert nicht, eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen zu lesen, da es eben so viele Stränge gibt. Er ist ein Dichter der Muse."
Als "Einstiegsdroge" empfiehlt Knapp kürzere Texte wie "Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal" oder "Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch": "Das funktioniert sehr gut." Das niederschwelligste Angebot seien freilich die Aphorismen.
Der Dichter Jean Paul wurde als Johann Paul Friedrich Richter am 21. März 1763 in Wunsiedel geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Zugang zu umfangreicher Bildung gewann er erst, als er sich in der Bibliothek des Rehauer Pfarrers Vogel autodidaktisch weiterbilden konnte.
Literaturgeschichtlich nimmt Jean Paul eine Sonderstellung ein, er lässt sich weder der Epoche der Klassik noch der der Romantik zuordnen.
Seine literarischen Erfolge läutete er 1793 mit dem Roman "Die unsichtbare Loge" ein. Den endgültigen Durchbruch schaffte er 1795 mit dem Roman "Hesperus oder 45 Hundsposttage", der zu einem großen Verkaufserfolg wurde.
Jean Paul gehört zu den wichtigsten deutschen Dichtern. Ihm verdankt die deutsche Sprache zahlreiche Wortschöpfungen wie Schmutzfink oder Weltschmerz. Er schrieb Romane ("Hesperus", "Siebenkäs"), Erzählungen und theoretische Schriften ("Vorschule der Ästhetik"). Von Juni 1803 bis August 1804 lebte er in Coburg, Gymnasiumsgasse 5. Bis zu seinem Tod am 14. November 1825 lebte und arbeitete Jean Paul dann weitgehend zurückgezogen in Bayreuth. Der Freistaat Bayern vergibt alle zwei Jahre den Jean-Paul-Literaturpreis.
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