Druckartikel: In Ummerstadt wurde der Grenzöffnung gedacht

In Ummerstadt wurde der Grenzöffnung gedacht


Autor: Bettina Knauth

Gemünda, Montag, 05. Oktober 2015

Beim Gedenkgottesdienst zum 25. Jubiläum der deutschen Einheit plädieren Geistliche am Ummerstädter Kreuz dafür, Flüchtlingen mit Nächstenliebe und ohne Vorurteile zu begegnen.
Zum 25. Jubiläum der deutschen Einheit gedachten am Samstag fast 300 Menschen der deutschen Teilung mit einem Gedenkgottesdienst am Ummerstädter Kreuz. Dabei zogen Geistliche Parallelen zu dem "Ossi-Wessi-Denken" der vergangenen 25 Jahre und dem Umgang mit Flüchtlingen. Foto: Bettina Knauth


Seit 25 Jahren findet jeweils am Tag der deutschen Einheit am Ummerstädter Kreuz ein ökumenischer Gedenkgottesdienst der Kirchengemeinden Gemünda, Autenhausen und Ummerstadt statt. Seit auf einer Anhöhe zwischen Gemünda und Ummerstadt zwangsausgesiedelte frühere Bewohner vor 52 Jahren ein Kreuz errichteten, wird hier der deutschen Teilung gedacht, nach der Wiedervereinigung stets am 3. Oktober.
"Einheit lässt sich nicht durch Einreißen von Grenzzäunen oder Mauern allein erreichen", sagte Pfarrer Andreas Neeb in seiner Begrüßung. Vielmehr bestehe die Einheit in einem Prozess, der niemals abgeschlossen sei und sich immer wieder erneuern müsse.



Rasch zog der Gemündaer Theologe eine Parallele zur aktuellen Situation der Flüchtlinge, die Neeb nicht "Krise" nennen möchte: "Ich verstehe sie als Chance für ein neues Verständnis weltweiter Verbundenheit."
Ein Plädoyer für brüderliche Verbundenheit hielt auch Pfarrerin Birgit Paulmaier (Tambach) in ihrer Predigt. Sie erinnerte daran, wie bereits die frühen Christen gegen äußere Bedrohungen zusammenhielten und wie auch Menschen in der DDR mehrheitlich einander halfen.


Es war eigentlich Zeit genug

Seit Überwindung der deutschen Teilung hat es laut Paulmaier "Zeit genug gegeben um einander kennenzulernen, Zeit genug, damit zusammenwächst, was zusammen gehört". Bürger auf beiden Seiten hätten diese Gelegenheit auch genutzt, seien aufeinander zugegangen und hätten zueinander gefunden. All jene, die von einem brüderlichen Miteinander noch weit entfernt sind, die verächtlich von "Ossis" mit übersteigerten Ansprüchen oder "Besser-Wessis" redeten, forderte die Pfarrerin auf, die "Mauer in den Köpfen zu erkennen und nach Möglichkeit zu beseitigen". Wer sich auf die Liebe besinne, stecke andere Menschen nicht "pauschal in Schubladen" und verstehe, dass es jeder verdiene, vorurteilsfrei als Individuum, nicht als Bevölkerungsgruppe, erkannt zu werden. "Gehen wir also ganz bewusst auf unsere Mitmenschen zu und nehmen wir sie wahr, wie sie wirklich sind", folgerte Paulmaier. Dies gelte aktuell besonders für den Umgang mit den Flüchtlingen.
Obwohl der Zeitraum von 40 Jahren in der Bibel "als Symbol für Ewigkeit und Vollkommenheit" gelte, hätten 40 Jahre Teilung überwunden werden können, sagte Pfarrer Norbert Lang (Seßlach), so dass nun "voller Dankbarkeit und Stolz" ein Vierteljahrhundert deutsche Einheit gefeiert werden könnte.


Aus Angst wurde Mut

Aus Angst wurde vor 25 Jahren unter Gottes Segen Mut, erinnerte Pfarrerin Sylvia Graf (Heldburg-Ummerstadt). In ihrer Fürbitte hoffte sie, dass auch heute, wo "viele Flüchtlinge an unsere Türen klopfen", Menschen wieder mutig für Freiheit und Menschenwürde eintreten. "Öffnen wir doch unsere Herzen und zeigen der Welt, dass Deutschland ein friedliches, tolerantes und weltoffenes Land ist", sagte die Ummerstadter Geistliche.
Seßlachs Bürgermeister Martin Mittag (CSU) führte den rund 300 Teilnehmern vor Augen, dass Grenzen, Gefangenschaft, Flucht und Unterdrückung zwar in Deutschland von Freiheit, Frieden, Freundschaft und Gemeinschaft abgelöst wurden, aber in vielen Teilen der Welt auch heute noch bittere Realität sind. Unter den Besuchern waren auch 50 Angehörige der International Police Asscociation (IPA).


"Menschen aufnehmen"

Der Leiter der Coburger Verbindungsstelle Rochus Kopp hatte das Treffen organisiert, zu dem neben Vertretern aus der Region sowie aus Bamberg, Nürnberg, Straubing und Arnstein auch Gäste aus Wiesbaden und Berlin angereist waren. "Gerade jetzt müssen wir wieder der Trennung gedenken und Menschen auf der Flucht aufnehmen", sagte Kopp. Musikalisch untermalt wurde der ökumenische Gottesdienst vom Posaunenchor Gemünda und dem Gemeinschaftschor Lindenau-Ummerstadt.