In diesem Coburger Wald ist verrückt was los
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 09. Dezember 2018
Stephen Sondheims Musical "Into the Woods" wird unter der musikalischen Leitung von Roland Fister insgesamt zu einem märchenhaften Trip.
Liebesqual, ach Liebesqual macht die Prinzen so schwach. Den goldenen vom Aschenputtel (Simon van Rensburg) mit Haartolle, der allerdings jede Frau schräg legt. Und den dunklen vom tragischen Rapunzelchen (Emily Lorini) mit den sexy Strumpfhosenbeinchen (Dirk Mestmacher). Die kriegen später übrigens alle Eheprobleme.
Der schwarze Prinz war vorher schon ein wahnsinns-geiler Wolf mit üppiger Brustbehaarung. Der unterhält sich zwar zunächst noch mit seiner Mahlzeit, wird dieses ewig energetisch trippelnde Rotkäppchen (Dimitra Kotidou, zum Fressen hinreißend) in seinem auch von anderen heftig begehrten roten Mäntelchen schon noch kennenlernen. Das Rotkäppchen führt dann ein blitzendes Messer mit sich, hat aber auch einen besinnlichen Moment, in dem es erkennen muss, dass es bei betreffender Szene im Wald abseits des Weges zwar "bedroht", aber halt auch "betreut" wurde.
Schuld an allem ist diese Hexe (Kora Pavelic, auch das macht sie herrlich), die hier aber auch nicht das bleibt, was sie traditionell sollte. Und zwischen allem irrt ein knuddeliger Bub, Hans aber so gar nicht im Glück (Marvin Zobel) herum, von seiner Mutter (Petra Gruber) nicht zu bändigen.
Man könnte seiten- und stundenlang so weiter erzählen, denn "Es war einmal" am Landestheater Coburg in einer nie dagewesenen Variante, dem Musical "Into the Woods" des amerikanischen Komponisten Stephen Sondheim, einer quergemixten, turbulenten, spaßigen, aber auch mit Lehren und Moralsprüchen so vollgestopften Variante, bis sie jedes solide deutsche Grimm-Märchen ad absurdum führt. Dass aber trotzdem alles schrecklich wahr ist, wie das in den klassischen Märchen so ist - wer wollte das bestreiten? Solch einer würde schon merken, wie die witzig vorgetragenen, aber dann halt doch wuchtig ernsten Mahnungen nachgehen. Alles dreht sich um die verdammte Wünscherei, das ewige Sehnen, Wollen, Gieren, die Unzufriedenheit im Menschen.
So in etwa und noch viel mehr, zusammengefasst auf der nachdenklichen Ebene, verläuft diese aufwendige neue Musiktheaterproduktion am Landestheater. Die kam am Samstag im endlich wieder einmal gut besuchten Großen Haus zur Premiere, bedacht mit lang anhaltendem Beifall für alle Beteiligten, vor allem aber für die Coburger Opernsänger, die auch im ungewohnten Musicalformat überzeugten.
Für die witzig einfallsreiche, ironische, manchmal so schön comic-hafte Inszenierung zeichnet der international renommierte Gastregisseur Joan Anton Rechi verantwortlich. Unablässig vergnügliche Tanzbeinchen in den raffinierten Rhythmen der Musik machte der gesamten Inszenierung Tara Yipp.
Stimmungsvoll
Den Wald, in dem wahrlich alles passieren kann und dann auch passiert, den zitierte Gabriel Insignares abstrahierend im tief scheinenden und gleichzeitig stimmungsvollen Einheitsraum auf die Landestheaterbühne. Sie lebt in nicht geringem Maße auch aus den wunderbaren Lichteffekten Patricia Dechantsreiters; in der Mitte der absolut unvermeidliche Ohrensessel, mit Niklaus Scheibli drin als Erzähler. Dem bleibt gar nichts anderes, als am Schluss mitzutanzen.