Druckartikel: OB Norbert Tessmer im Gespräch: Was sich Coburg künftig leisten sollte

OB Norbert Tessmer im Gespräch: Was sich Coburg künftig leisten sollte


Autor: Simone Bastian

Coburg, Montag, 26. Dezember 2016

Die Stadt will sparen. Bis 2020, so das Ziel, soll der Haushalt ausgeglichen sein. Ein Gespräch mit Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD).
Bis 2020, so das Ziel, soll der Haushalt der Stadt Coburg ausgeglichen sein. Ein Gespräch mit Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) über den weiteren Kurs und was die Stadt sich künftig leisten sollte.


Derzeit bereitet die Kämmerei den Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 vor, der dann im Frühjahr vom Stadtrat verabschiedet wird. Aktuelle Zahlen liegen deshalb noch nicht vor, wie Tessmer betont. Aber es gibt schon einige Beschlüsse, was der neue Haushalt alles enthalten sollte.

Coburger Tageblatt:Herr Oberbürgermeister Tessmer, an welcher Stelle des Konsolidierungs-Wegs sehen Sie die Stadt? Eher am Anfang, mittendrin oder schon auf der Zielgeraden?
Norbert Tessmer: Die Stadt Coburg befindet sich derzeit - um es in den Worten Ihrer Fragestellung auszudrücken - inmitten der Haushaltskonsolidierung. Erste Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, weitere Maßnahmen befinden sich aktuell noch in der Prüfungsphase und sollen in den kommenden Jahren umgesetzt werden.

Die Stadt hat zum Jahresende voraussichtlich Rücklagen in Höhe von 38 Millionen Euro. Andere wären froh, wenn sie nur mit diesem Betrag verschuldet wären. Das müsste doch noch Freiraum lassen für Investitionen?
Der Stadtrat hat im Juni 2016 einstimmig einen Eckwertebeschluss für den Planungszeitraum 2017 bis 2020 gefasst. Entsprechend dieses Beschlusses ist im Planungszeitraum ein maximales Investitionsvolumen von 84 Millionen Euro vorgesehen, also durchschnittlich 21 Millionen Euro im Jahr.

Seit Jahren steht die Stadt "dazwischen", wenn es um die Rückerstattung zu viel gezahlter Gewerbesteuern geht. Das Geld sollte 2016 ausgezahlt werden, nun wird es laut Kämmerei wohl 2017. Inwieweit belastet diese Situation die Planungen der Stadt?
Finanzielle Mittel für die Abwicklung des Gewerbesteuersondertatbestandes sind in den künftigen Haushaltsjahren eingeplant.

Wer einen starken Standort will, muss den Standort stärken: Wann wollen Sie die Gewerbesteuern auf das Niveau vergleichbarer Städte anheben?
Wenn es nach mir geht, gar nicht. Das ist nicht unser Ziel in der nächsten Zeit. Wir wollen einen wirtschaftsstarken Standort und somit einen attraktiven. Höhere Gewerbesteuern bedeuten im Übrigen nicht unbedingt höhere Einnahmen. Es kommt auch darauf an, was die Unternehmen in der Stadt verdienen. Von einem Euro Gewerbesteuer gibt die Stadt ungefähr 70 Cent wieder ab.

Es soll bei den Ausgaben gespart werden. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass immer neue Anforderungen kommen: Digitales Gründerzentrum, städtischer Zuschuss für eCn-Klassen, um nur zwei Beispiele aus der jüngsten Finanzsenatssitzung zu nennen. Wenn wir diese Beispiele betrachten: An welcher Stelle wird das dafür erforderliche Geld eingespart? Die Stadt darf die freiwilligen Leistungen ja nicht aufweiten!
Auch beim Sparen muss man es klug angehen. Es darf nicht an der falschen Stellen gespart werden. Gerade die Dinge, die Sie benennen, sind zukunftsweisende Projekte. Ich bin als Oberbürgermeister angetreten um unsere Stadt stark für die Zukunft zu machen und das sind Projekte, die dies tun werden. Mit beispielsweise der eCn Klasse helfe ich den Kindern nach vorne zuschauen, und vielleicht nicht in einer Jungarbeiterklasse kommen oder ganz die Perspektive zu verlieren. Oder die Digitalisierung: Das ist eine Zukunftsaufgabe! Wirtschaftsminister Gabriel hat gesagt: Wer sich der Digitalisierung nicht stellt, wird von ihr überrollt. Abgesehen davon gibt es dafür auch Fördermittel.

Das beantwortet aber nicht die Frage, woher das Geld für diese Dinge kommen soll?
Das wird beim Haushaltsentwurf mit geprüft.

Personalkosten sind ein großer Brocken im Haushalt. Wie kann die Stadt hier sparen, ohne Entlassungen vorzunehmen, und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber bleiben?
Wir haben seit Jahren die Altersentwicklung in der Verwaltung im Blick und merken hier sehr stark, dass unser Altersschnitt sehr hoch ist. Dadurch kommt es zu einer natürlichen Veränderung des Personalschlüssels. Aber leider können wir derzeit noch nicht jedem Azubi, der auslernt, sofort eine Stelle anbieten.Wenn wir dann einige Monate später jemanden suchen, merken wir, dass der Markt inzwischen leer ist. Im Übrigen: Die Verwaltung ist nicht überbesetzt. Wir sind in vielen Bereichen auf Kante genäht. Das liegt vor allem daran, dass die Verwaltung von oben immer neue Vorgaben und Aufgaben erhält.

Gibt es inzwischen so etwas wie einen Personalentwicklungsplan, oder braucht die Stadt das nicht?
Selbstverständlich braucht auch eine Kommune - so wie jedes Unternehmen - eine Personalentwicklungsplanung. Diese wird momentan erarbeitet und nächstes Jahr vorgelegt.

In der Haushaltssitzung 2016 wurden - von der SPD - folgende strategischen Ziele der städtischen Politik definiert: Bildungschancen für alle, bezahlbaren Wohnraum, Unterstützung für Familien, Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Wenn Sie da ein Ranking vornehmen müssten: Was hätte für Sie oberste Priorität, welche Maßnahmen halten sie da konkret für erforderlich?
Sie haben jetzt nur Dinge aus dem sozialen Bereich genannt, die für mich absolute Priorität haben, da sie sich um die Menschen in unserer Stadt drehen. Wenn Sie mich fragen würden, ob Unterstützung für Familien oder die Verbreiterung einer Straße Priorität haben - würde ich Ihnen klar sagen: die Familien! Erst kürzlich war wieder zu lesen: Um die Attraktivität des Lebensraumes zu erhöhen braucht es aus Sicht von Unternehmern Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Sicherstellung der wohnortnahen Gesundheitsvorsorge und die Ausweitung sozialer und kultureller Angebote. Wir sind da in guter Gesellschaft. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass wir mit München die höchste Quote von arbeitenden Frauen haben. Insofern gibt es hier keine Prioritätenliste von eins bis vier, sondern eine von 1a bis 1d.

IHK-Präsident Friedrich Herdan sagte neulich in einer Stadtratssitzung: "Wer spart, wird nicht reicher. Es dauert nur länger, bis er arm wird." In welchem Zusammenhang würden Sie diesen Spruch gerne zitieren?
Ich habe ihn mir auf jeden Fall gemerkt. Wann ich ihn zitiere, weiß ich jetzt noch nicht.

Sie waren jahrelang der Sozialbürgermeister und konnten vieles anstoßen, von dem andere Kommunen nicht mal träumen können, zum Beispiel das Haus "Sozial aktiv" oder "KS:Cob". Würden oder könnten Sie das heute wieder tun, und wie würden Sie das begründen?
Ja, ich würde immer wieder in die Menschen unserer Stadt investieren. Ich würde mich immer wieder dafür einsetzen, dass jedes Kind die Möglichkeit bekommt, ein Theater oder eine andere Kultureinrichtung zu besuchen. Und dass jede Bürgerin und jeder Bürger eine Anlaufstelle in unserer Stadt hat, denn das Haus Sozial aktiv bündelt viele Kompetenzen. Dass solche Dinge sich rechnen, merken wir ja inzwischen. All diese Angebote entstanden aus der Entscheidung, gegen den prognostizierten Bevölkerungsrückgang vorzugehen, und wir schaffen es inzwischen, den Sterbeüberschuss durch Zuzüge auszugleichen. Das hilft unseren Unternehmen, ihren Fachkräftebedarf zu decken.

Weil wir uns zwischen den Jahren befinden: Wie ist 2016 gelaufen, was erwarten Sie für 2017?
Unterm Strich betrachtet, ist 2016 ganz gut gelaufen, auch, wenn es einigen Ärger gab, der nicht hätte sein müssen, wie zuletzt beim Landestheater. Aber da hat sich gezeigt: "Manchmal ist es besser, klug zu schweigen" - und am Ende hatten wir den vorbereitenden Beschlussvorschlag mit fast allen Stadtfraktionen abgestimmt. 2017 wird es uns an Themen nicht mangeln. Theater und Güterbahnhof werden uns ebenfalls weiter beschäftigen.


Das Gespräch führte Tageblatt-Redakteurin Simone Bastian.