Druckartikel: In Coburg läuft's immer auf Bratwurst raus

In Coburg läuft's immer auf Bratwurst raus


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 24. April 2015

Der Drehbuchwettbewerb des Coburger Stadtmarketings brachte es an den Tag: Die Erfolgsformel für deutsche Fernsehfilme lautet: Klischees, Klischees, Klischees, eine Prise Exotik, sympathische Schwule und irgendwo eine Patchworkfamilie.


Coburg wird Filmstadt. Kein Witz jetzt. Nicht nur wegen Rubinrot oder dem Lutherfilm vor ein paar Jahren auf der Veste. Coburg ist mehr als Kulisse.

Deshalb hat das Stadtmarketing zusammen mit dem Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) einen Drehbuchwettbewerb ausgeschrieben. Die Teilnehmer sollten Entwürfe für Geschichten ("Treatments") einreichen, eine Szene ausarbeiten, und das ganze sollte auch noch mit Coburg zu tun haben.

Dallas in Coburg

Was hätte sich da für Stoff aufgetan! Der Direktor eines Traditionsgymnasium, der die Noten seiner Abiturienten nach oben korrigiert, damit ja ein besserer Schnitt rauskommt als bei den Emporkömmlingen zwei Straßen weiter. Der Kampf zweier Titanen um die Vorherrschaft in der Stadt - ein Unternehmer und ein Politiker, die zu Feinden werden ... Allein mit den Gerüchten, die sich um die Ursachen dieses Konflikts ranken, hätte man zig Folgen bestreiten können.

Aber Dallas oder Denver-Clan, das ist ja so voll Achtziger. Bis solche Geschichten wieder ziehen, müssen wir wohl noch ein paar Jahre warten. Dann kann man auch auf den Zusatz "Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig" verzichten.

Terrorzellen

Gut, wir kennen jetzt nicht alle 40 Treatments. Und der FFF veröffentlichte auch nur kürzeste Zusammenfassungen der Stoffe, die nun gewonnen haben. Doch schon das lässt Rückschlüsse zu, wie sich die Jurymitglieder das Fernsehpublikum vorstellen. Der Überblick:

 "Bratwurst Klaus": Ein (Coburger) Metzgermeister sorgt sich um die Zukunft der Coburger Bratwurst (verbranntaktuell!) und stößt auf eine vermeintliche islamistische Terrorzelle in seiner Nachbarschaft.

 "Theo und Max": Der evangelische Pfarrer Theo und der atheistische Psychotherapeut Max verlieben sich ("plötzlich Hals über Kopf" heißt es in der Mitteilung) und wagen einen Neuanfang als Patchwork-Familie. Das könnte natürlich in jeder Kulisse spielen. Nicht bekannt ist, ob das schwule Liebespaar auch Widerstände im kleinstädtischen Umfeld überwinden muss. Im wahren Leben und im echten Coburg vermutlich nicht.

 "Bem-Vindo a Coburg": Eine Brasilianerin möchte ausgerechnet von einem Coburger Sambatanzen lernen. Da dürften noch einige vom FFF nicht genannte Verwicklungen drinstecken, sei es, dass die Brasilianerin nicht echt ist oder dass der Coburger gar nicht Samba tanzen kann, was eine falsche Brasilianerin natürlich nicht bemerkt...

Zutaten verrühren und los!

Bratwurst, Brasilien, Schwule: Wenn das die Zutaten sind, aus denen nach Ansicht der FFF-Jury die Erfolgsstoffe fürs deutsche Fernsehen erzeugt werden können, dann wollen wir doch an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Da geht noch mehr.

 Ein schwuler Metzger kommt nach Coburg, um von einem brasilianischen Theologen Samba zu lernen, die beiden verlieben sich, entzweien sich aber wieder über dem Gurkenschnaps eines Coburger Originals. Für weitere Verwicklungen sorgt die vermeintliche islamistische Zelle nebenan, die sich aber als atheistische Patchworkfamilie entpuppt ... Endet tragisch. Oder mit Gurkenschnaps.

 Eine Bratwurst versucht, bei einem brasilianischen Atheisten das Sambatanzen zu lernen, muss aufgrund einiger Verwicklungen als Dönerspieß verkleidet flüchten und wird deshalb von den Mitgliedern islamistischen Terrorzelle verspeist, die daraufhin der Verdammnis anheimfallen, weil sie Schweinefleisch gegessen haben. Braucht viel Animationstechnik - vor allem für die Schluss-Szene.

 Metzgermeister Klaus lernt beim Sambafestival eine Brasilianerin kennen, verliebt sich und folgt ihr Hals über Kopf nach Rio, wo er alsbald mit seinen Coburger Bratwürsten Furore macht. Leider kommt er dem angeheirateten Halbbruder in der Patchworkfamilie seiner Angebeteten in die Quere, und auf dem Zuckerhut kommt es zu einem Showdown, der selbst James Bond und den Beißer in der Seilbahn alt aussehen lässt. Hätte den Vorteil, dass man auch in Rio drehen kann.

Lokalkolorit

 Ein schwuler Pfarrer muss seine Kirchengemeinde verlassen, weil er seine Sexualität ausleben will. Heil sucht er in der Coburger Bratwurst, doch die Muslimbrüder nebenan wollen ihn bekehren. Fast hätten sie ihn schon konvertiert, da beginnt in Coburg das Sambafest, und der Ex-Pfarrer lernt eine heißblütige Brasilianerin kennen. Die bringt ihm nicht nur Samba bei, sondern gibt ihm auch den rechten Glauben zurück. Gemeinsam gründen sei eine evangelikale Kirche nach brasilianischem Muster in Coburg. Weil sie aber so aggressiv werben, wie es in Brasilien üblich ist, bringen sie nicht nur die Islamisten, sondern auch die christlichen Gemeinden gegen sich auf. Während einer feucht-fröhlichen Pfingstnacht kommt es auf dem Marktplatz zum Showdown, und am Ende fliegen Fackeln... Mit Doku-Szenen vom Pfingstkongress.
 Christa, eine fröhliche Metzgermeisterin und engagierte Christin, lebt friedlich vor sich hin, bis gegenüber der neue Pfarrer Jens einzieht. Der sieht sich den Verlockungen nicht nur der Fleischbänke ausgesetzt. Doch leider ist er bereits mit einer Brasilianerin verlobt, die bald bei ihm einziehen will. Beim Sambafest muss Jens sich schließlich entscheiden: Will er Bratwurst oder Samba tanzen? Die Verschmähte schließt sich daraufhin einer islamistischen Terrorzelle an und droht, die Veste in die Luft zu sprengen. Kann Jens die Katastrophe noch verhindern? Das entscheidet das Zuschauer-Voting.
 Aufruhr in Coburg: Für den Tanzwettbewerb beim großen Sambafestival hat sich erstmals eine Schwulengruppe angemeldet. Während die Veranstalter noch streiten, ob das zulässig ist, geht eine Drohung einer Fundamentalistensekte ein. Nichts ahnend parkt derweil Arno, der Pfarrer mit der Patchworkfamilie, sein Wohnmobil am Anger. Die insgesamt sieben Kinder und Jugendlichen an Bord haben allerdings wenig Bock auf Samba und gehen auf Erkundungstour. Im Coburger Untergrund liefern sie sich am Ende einen Showdown mit den Fundamentalisten. Jugendfilm.

Preise nehmen wir gern bei den Hofer Filmtagen entgegen!