Druckartikel: Immer noch mehr Süden in Tambach

Immer noch mehr Süden in Tambach


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Weitramsdorf, Montag, 30. Juli 2018

Schmidbauer, Pollina und Martin Kälberer füllten den Schlosshof mit ihren alten Geschichten. Die und die Sehnsucht nach dem friedlichen Leben sind zeitlos.
"Süden", und wie mit Martin Kälberer (von links), Pippo Pollina und Werner Schmidbauer im Tambacher Schlosshof.Carolin Herrmann


Die Sehnsucht nach dem Süden lässt nicht nach. Wie sollte sie auch, wenn in dem Symbol Lust am leichteren Leben, Frieden, Schönheit aufscheinen. Jeder andere wäre mit einem Programm, das er schon zigmal und jahrelang abgespult hat, längst in nördliche Leere gelaufen. Aber der bayerische Liedermacher Werner Schmidbauer in der Umarmung mit Pippo Pollina, getragen von dem fantastischen Multiinstrumentalisten Martin Kälberer, sahen sich gezwungen, wieder auf "Süden"-Tour zu gehen.
Weil die eigene Sehnsucht die Liedermacher treibt, was sie beim ichweißnichtwievielten Gastspiel im Coburger Land und beim Tambacher Sommer am Sonntag ausführlich beschrieben. Weil nach fünf Jahren sogar noch mehr Besucher in den wunderbaren Schlosshof zogen. Bestuhlt bis an die hintersten Mauern, ließen sich die bestimmt über tausend Seelenreisenden wieder nieder zum Träumen, zum Nachdenklichwerden, auch politisch-gesellschaftlich, zum andächtigen Lauschen.
Dabei mag so mancher die Geschichten wiedererkannt haben. Aber gute Geschichten, wie die vom Silvestertreffen in Pippo Pollinas Heimat auf Sizilien, das zum jährlichen Ritual wurde, kann man auch öfter hören. Zumal jetzt nicht mehr nur Werner Schmidbauer leutselig bayrisch plaudert und plaudert, sondern der mittlerweile ungemein erfolgreiche Pippo Pollina selbstbewusst seinen eigenen Charme verbreitet.
Und die Musik der drei ist ohnehin zeitlos, in bester Liedermacher-Tradition zu eingängig fülligem, mitreißenden Gitarrensound. Der auch solistisch sehr erfolgreiche, tausend Instrumente spielende Martin Kälberer sorgt dafür, dass die Tour nicht eintönig wird. Einfalls- und stimmungsreich mit Piano, Percussion, Akkordeon schafft er einen unverwechselbaren Klangkosmos, erst Recht mit dem von ihm weiter entwickelten schweizerischen Klangbecken Hang in seinen von Bali in die europäischen Kuhberge reichenden Welttönen. In diesem Kosmos vereinen sich zwei eigentlich reibende Stimmen zum harmonierenden Duett, das zudem Weltläufigkeit, Weltgültigkeit anspricht, wenn reizvoll mal bayrisch, mal in italienischer Übersetzung und umgekehrt gesungen wird.


Die alten Momentensammler

Pippo Pollinas machvolle Kehle, so italienisch rauh und weich zugleich, und Werner Schmidbau er, der auch weit über die Berge rufen kann, wenn es drauf ankommt, erheben sich und ziehen die Menschen mit, mutmachend: "Wie flüchtig, wie ewig, wie wunderbar ist dieses Leben." Die alten "Momentensammler" finden jeder für sich und gemeinsam zweisprachig sowieso auch immer wieder die große Geste.
Von Pollinas sizilianischem "Mare, mare, mare" zieht Schmidbauer auf Alpengipfel in abendlichem Licht. Dort heben wir endgültig mit ihm ab.
Wenn zu viel Nachdenklichkeit droht, springen die beiden ins volksliedhafte, fröhliche "Leileileila". Was Besseres gibt es in diesem Moment doch gar nicht, an diesem doch längst selbst zum "Süden" gewordenen Ort. - Großes wohliges Aufatmen im Tambacher Schlosshof, in dem die drückende Hitze nun dem Hauch des leichteren Lebens gewichen war.

Pippo Pollina geboren 1963 in Palermo, gründete schon im Jugendalter mit anderen Jungen
die Gruppe "Agricantus". Er studierte klassische Gitarre und Musiktheorie, dann Jura. Sein journalistisch-politisches Engagement gegen die sizilianische Mafia zwang ihn 1985, das Land zu verlassen. Er begann seine musikalische Karriere als Straßenmusiker. Der Schweizer Liedermacher Linard Bardill sprach ihn in der Luzerner Fußgängerzone an und nahm ihn in sein neues Album sowie in seine Tournee auf. Von da an begann Pollinas musikalischer Aufstieg, der auch durch die Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker befeuert wurde.
 Inzwischen ist Pippo Pollina in Deutschland, Italien, Österreich, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden unterwegs und findet immer neue musikalische Ausdrucksmöglichkeiten mit verschiedenen Musikern. Das Album "Süden", das Pollina mit Schmidbauer/ Kälberer auf einer 99 Konzerte- Tournee 2013 präsentiert, endete im legendären 100. Konzert in der Arena von Verona.