Im Himalaya auf uns selbst stoßen
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 06. April 2016
Die Coburger Autorin Heidi Fischer stellt bei Riemann ihren bemerkenswerten Roman "Der verlorene Mann" vor.
Romane zu schreiben, treibt es immer mehr Menschen. Nehmen wir das als Wehen des literarischen Geistes, des Reflexionsvermögens, gar der poetischen Kraft, die generell zunimmt. Oftmals ist die Anstrengung bewundernswert, aber die von Druckerzeugnissen jeder Art überschüttete Öffentlichkeit braucht das Hervorgebrachte meist nicht. Die Coburger Autorin Heidi Fischer aber, die hat etwas. Nicht unbedingt etwas Spektakuläres, aber etwas Bemerkenswertes.
Heute Abend um 20 Uhr stellt Heidi Fischer ihr viertes Buch bei einer Lesung in der Buchhandlung Riemann vor, ihren Roman "Der verlorene Mann". Und der hat nach "Laufmaschen im Strickstrumpf" und dem Geschichtenband "Wer später stirbt, ist länger alt" sogar einen exotischen Rahmen.
Abgestürzt und tot?
Elisabeth Wagner, eine Frau in den Wechseljahren, hat sich behaglich eingerichtet in ihrem Häuschen in Erding, mit gepflegter Küche, Garten und Freundinnen. Doch als der offizielle Anruf aus Nepal kommt, dass ihr längst getrennt von ihr lebender Ehemann bei einer Trekkingtour "verloren" gegangen sei, was so viel bedeutet wie wohl abgestürzt und tot, fliegt sie abrupt aus der vordergründigen, wohlsituierten Behaglichkeit und gezwungener Maßen nach Nepal. Denn Norbert war ein erfahrener Himalaya-Wanderer, die Umstände seines Verschwindens sind merkwürdig. Elisabeth nimmt Quartier in dem Kloster, in dem Norbert in den vergangenen Jahren immer wieder Station machte. Auch dessen neue Lebensgefährtin Sarah, die Norbert schwanger zurückgelassen hatte, macht sich auf den Weg, sogar auf die Tour, bei der Norbert verschwand.
Heidi Fischer war selbst drei Mal in Nepal. Sehr aktuell beschreibt sie die gegenwärtige Lage nach dem verheerenden Erdbeben im letzten Jahr, das wir hier nach der Vielzahl der uns bedrückenden Vorkommnisse in der Welt längst wieder vergessen haben.
Kein modischer Nepal-Tourismus
Bemerkenswert an dem Roman nun ist die Art, wie Heidi Fischer uns mit ihren so ganz normalen Menschen aufbrechen lässt. Sie beschreibt die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen, die Fragen, die Verunsicherungen, die Sicht auf die Geschehnisse aus den verschiedenen Blickwinkeln der uns in ihrer Art durchaus vertrauten Handelnden, direkt, schnörkellos, nicht dialoghaft forciert, sondern eher nachdenklich reflektierend. Es ist eine geradezu bescheidene, ja demütige Haltung, mit der Heidi Fischer ihre Menschen betrachtet, sich so gar nicht literarisch inszenierend, dabei unmittelbar viel (Informatives, bis in die nepalesische Küche hinein, denn Elisabeth kocht gerne) vermittelnd. Den modischen Nepal- und Buddhismus-Tourismus hinterfragt sie mit klarem Blick. Auf diese Weise kommen wir sehr schnell auf das Wesentliche, in dem armen, doch faszinierenden Himalayastaat, in Geist und Seele der Handelnden. Elisabeth, Sarah und die daheim mit der Enkeltochter wartende Tochter Lena müssen mit dem Verschwinden Norberts ihre Selbstgewissheiten auf den Prüfstand stellen. Neue Erfahrungen, neue Begegnungen fordern sie heraus.
Unaufgeregt, aber nicht mehr loskommend und nachhaltig berührt, gehen wir mit auf diese Trekkingtour der eben doch besonderen Art. Mit Norberts Verschwinden hat es selbstverständlich eine eigene Bewandtnis. Keine spektakuläre. Aber eine, über die wir noch lange nachdenken.
Übrigens: Heidi Fischer bringt uns im Anhang die Rezepte zentraler nepalesischer Gerichte, die aromatisch, aber einfach herzustellen sind: Dal Bhat (Linsen mit Reis), Momos (gefüllte Teigtaschen), Scharfe Soße, Ingwer-Heißgetränk.
Heidi Fischer: Der verlorene Mann. Roman. Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe, 280 Seiten, 14,90 Euro.
Die Autorin Heidi Fischer, geboren 1954, lebte einige Jahre in München, um dann mit Ehemann und drei Kindern wieder nach Coburg zurückzukehren. Sie arbeitete als Lehrerin, Mutter und Hausfrau und schreibt seit vielen Jahren Gedichte und Kurzgeschichten. Zu Nepal hat sie ein besonderes Verhältnis. Sie war im Kathmandutal unterwegs, umrundete den Annapurna und verbrachte zwei Wochen in einem buddhistischen Kloster.
2008 erschien ihr erstes Buch "Du riechst noch immer so..." , 2014 wurde der Roman "Laufmaschen im Strickstrumpf" im Kleinen Buchverlag veröffentlicht, 2015 erschienen ihre kurzen Geschichten aus langen Leben "Wer später stirbt, ist länger alt" ebenfalls im Kleinen Buchverlag.
Lesung Heidi Fischer stellt ihren neuen Roman heute Abend um 20 Uhr in der Coburger Buchhandlung Riemann vor.