"Ich bat Gott, mir einen Weg zu zeigen"
Autor: Eberhard Unfried
, Mittwoch, 21. Januar 2009
Coburgs ehemaliger Kantor Hans-Martin Rauch hat gestanden, seine Frau umgebracht zu haben. Der 64-Jährige berichtete von Affären, hohen Schulden und dem Plan, mit seiner Barbara in den Tod zu gehen.
Die Konten waren gepfändet, die Miete im Rückstand, zwei Mütter forderten Unterhalt für Kinder, die er gezeugt hatte. In dieser prekären Situation fasste Kirchenmusik-Professor Hans-Martin Rauch (64) einen schrecklichen Entschluss:
Er wollte sterben, aber nicht alleine. In Gmund am Tegernsee tötete er seine Ehefrau Barbara mit drei Messerstichen. Nun sitzt der frühere Landeskirchenmusikdirektor in München wegen Mordes auf der Anklagebank und schiebt die Schuld indirekt auf den lieben Gott: „Ich habe Gott gebeten, mir einen Weg zu zeigen. Es kam nichts.“
In der evangelischen Kirche startete der Musiker eine steile Karriere, die in München-Solln begann. Dort lernte er seine Frau, eine Pfarrerstochter, kennen. In Coburg wurde er 1976 Stadtkantor. 1990 berief ihn die Landeskirche zum Musik-Chef in Franken. Er wurde Professor für Kirchenmusik in Bayreuth. Seine Karriere endete 2004 mit einem Schulter-Problem: „Ich konnte nicht mehr dirigieren.“
Mit seiner Frau Barbara ließ er sich am Tegernsee nieder. Ein Glücksfall für die evangelischen Christen in Bad Wiessee: Die Orgel in der Friedenskirche spielte er virtuos wie kein anderer.
Zwei uneheliche Kinder
Hinter diesem Leben mit hoher gesellschaftlicher Anerkennung gab es eine weniger schöne Seite. Hans-Martin Rauch hatte zahlreiche Affären mit anderen Frauen. „Über die Anzahl mache ich keine Angaben“, sagt er vor Gericht. 1992 kam eine uneheliche Tochter zur Welt, von der seine Ehefrau nichts wusste. 2001 wurde er Vater eines Sohnes, dessen Mutter er die Partnerschaft versprochen hatte. Der Angeklagte sagt dazu: „Ich wollte mit meiner Frau eine Lösung zu dritt finden. Sie hat abgelehnt.“
Auch finanziell geriet er in die Krise. Ein „Steuersparmodell“ mit einer Ost-Immobilie erwies sich als Flop, er blieb auf 150000 Euro Schulden sitzen. Durch ausstehende Forderungen und seinen aufwändigen Lebensstil geriet er immer tiefer in die Kreide. Am Ende stand der Offenbarungseid.
„Da habe ich den Plan gefasst, uns zu töten“, sagt Rauch. Seine Frau habe er nicht zurücklassen wollen „mit dem ganzen Mist“.
Am Abend des 19. Mai 2008 kommt er zu ihr ins Zimmer. Sie solle sich nicht umdrehen, er habe eine Überraschung für sie. Barbara Rauch glaubt an eine Andalusien-Reise, die er ihr versprochen hat. Doch statt mit ihr Pläne zu schmieden, rammt er ihr ein langes Küchenmesser in den Rücken, tief in die Leber!
Die Frau dreht sich um, starrt ihn an: „Was ist denn los?“ Da stößt er ihr das Messer von vorne in die Brust. Das Opfer will schreien. Mit einer Hand hält er ihr den Mund zu, mit der anderen sticht er ihr ins Herz.
Selbstmordgedanken
Nach der Tat fährt er nach München. Er steckt in der Frauenkirche eine Kerze für seine tote Frau an. Er fährt durch halb Deutschland, kehrt nach Bad Wiessee zurück, spielt noch einmal auf seiner Orgel. Er steigt auf einen Berg, dort will er sich die Pulsadern öffnen. Doch nach einem Telefonat mit seiner in Gera lebenden Tochter (30) ruft er die 110 und stellt er sich der Polizei.
„Ja, ich habe meine Frau getötet“, gibt er im Gerichtssaal zu. „Aber den Vorwurf der niedrigen Beweggründe kann ich keinesfalls akzeptieren.“ Der Prozess wird fortgesetzt.