ICE-Halt in Coburg: Die Bahn bleibt skeptisch
Autor: Simone Bastian
Coburg, Donnerstag, 12. Februar 2015
Wenn der ICE über Coburg fährt, dauere es zu lang, argumentiert Bahnchef Rüdiger Grube. Der ICE soll die Strecke Nürnberg-Erfurt in 79 Minuten schaffen. Bei einem Halt in Coburg hätten für jeden Fahrgast, der zu- oder aussteigt, 20 andere Nachteile durch verlängerte Reisezeiten.
Bislang hatte die Bahn in erster Linie mit dem zu geringen Fahrgastpotenzial in Coburg argumentiert. Deshalb hat die Region unter Federführung der IHK eine Studie zum Fahrgastpotenzial erarbeiten lassen, und Gutachter Bernhard Keppeler (Hannover) hält über 1140 Fahrgäste pro Tag für möglich. Die Studie der IHK liege vor, bestätigte ein Sprecher der Bahn am Donnerstag. "Wir werden diese sorgfältig prüfen und bewerten." Auch werde die Bahn, "wie mit Vertretern der IHK in Coburg im vergangenen Jahr vereinbart", anschließend mit der IHK und der Region "in den Dialog eintreten".
Doch Dialog hin oder her: "Die Potenzialstudie ändert allerdings nichts an unserer Einschätzung zur Anbindung Coburgs als Systemhalt, denn durch eine Fahrt via Coburg Hbf würden wichtige nachfragestärkere Anschlussverbindungen in den Bahnhöfen Erfurt und Nürnberg verloren gehen", teilt der Bahnsprecher mit.
Würde der ICE in Coburg halten, bräuchte er für die Strecke Erfurt-Nürnberg 86 Minuten. Das hat Bernhard Keppeler ebenfalls errechnet.
Für einen Halt in Coburg ist keine Zeit
Doch die Bahn will die Strecke zwischen Erfurt und Nürnberg in lediglich 79 Minuten zurücklegen. Das geht aus einem Schreiben von Bahnchef Rüdiger Grube an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Martin Burkert (SPD) hervor. Abfahrt von Erfurt spätestens zur Minute 33, Ankunft in Nürnberg zur Minute 52 der folgenden Stunde, laute die Vorgabe, zitiert Bunkert aus dem Schreiben. Für einen Halt in Coburg wäre da keine Zeit, weil der ICE dafür die Neubaustrecke verlassen muss. Würde der ICE das doch tun, kämen auf jeden Coburger Fahrgast 20 andere, die durch die längere Fahrtzeit Nachteile hätten, schreibt Grube.
Doch sowohl Martin Burkert als auch der Coburger Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach wollen noch nicht aufgeben. Das Gespräch mit Bahnvertretern ("Bahn-Gipfel") sollte auf jeden Fall stattfinden, rät Burkert. Einen Termin gibt es dafür noch nicht. Er habe Grube aber schon einige Terminvorschläge genannt, sagt Michelbach. Er geht davon aus, dass Grube selbst das neue IHK-Gutachten noch gar nicht kennt. "Das Schreiben an Martin Burkert nennt den alten Sachstand." Der Grube-Brief datiert vom 21. Januar; am 30. Januar übergaben Michelbach, Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer, Landrat Michael Busch (beide SPD) und IHK-Präsident Friedrich Herdan die Potenzialanalyse an Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Auch die Bahn erhielt ein Exemplar, doch das "liegt noch in München. Dort ist man unseren Argumenten gegenüber nicht zugänglich", schimpft Michelbach und nennt namentlich den Konzern-Bevollmächtigten Klaus-Dieter Josel, "der beharrt auf seinem Standpunkt". Michelbach setzt nun auf die Unterstützung der Politik: Dobrindt habe seine Hilfe zugesagt, auch die Staatsregierungen in Bayern und Thüringen unterstützen die Forderung nach einem ICE-Systemhalt in Coburg.
Bislang hat die Bahn bestenfalls vier ICE-Halte in Tagesrandlage in Aussicht gestellt: Zwei Züge in jede Richtung am frühen Morgen und am späten Abend. Das Fahrgastpotenzial dafür wird auf 190 Personen geschätzt. "Die ganze Zeit wurde mit dem Fahrgastpotenzial argumentiert, nun ist es die Taktverkehrsanbindung. Aber das ist auch von Fachleuten widerlegt. Das hat auch die IHK prüfen lassen", fasst Michelbach zusammen.
Günstiger Zeitpunkt für die Region
Martin Burkert sieht noch einen anderen Ansatzpunkt: Am 18. März soll der Aufsichtsrat der Bahn das neue Fernverkehrskonzept des Konzerns verabschieden. Auch der Verkehrsausschuss des Bundestags wird sich damit befassen - Bahnchef Grube ist eingeladen, das neue Konzept in der Sitzung am 25. März zu erläutern. Die Bahn sei in mehrfacher Hinsicht unter Druck, erläutert Burkert: "Sie muss Dividende abliefern, sie verliert Marktanteile im Nahverkehr an Konkurrenzunternehmen und Fahrgäste an die neuen Fernbuslinien." Darauf müsse die Bahn reagieren - vielleicht sogar mit neuen Fernzugangeboten unterhalb des ICE, sagt Burkert. Deshalb sei es für die Region Coburg ein günstiger Zeitpunkt, auf eine Anbindung ans ICE-Netz zu bestehen. Auch Hans Michelbach setzt Hoffnungen auf ein direktes Gespräch. "Über so was kann man sich nicht nur schriftlich austauschen, da muss man sich gegenübersitzen." Außerdem hat Michelbach schon den künftigen Vertreter der Bundesregierung im Bahn-Aufsichtsrat kontaktiert, den designierten Staatssekretär Norbert Barthle (CDU). "Da haben wir einen starken Unterstützer."