Druckartikel: ICE-Drama in luftiger Höhe

ICE-Drama in luftiger Höhe


Autor: Berthold Köhler

Schönstädt, Montag, 16. Oktober 2017

Die Großübung am kommenden Samstag auf der Brücke über dem Froschgrundsee wird zu einer Herausforderung für alle Beteiligten.


Landrat Michael Busch (SPD) will sich "lieber gar nicht ausmalen", was es bedeuten würde, wenn dieses Übungsszenario einmal Wirklichkeit werden sollte: Ein ICE-Personenzug knallt bei voller Fahrt in ein Baufahrzeug auf den Gleisen - und das ausgerechnet mitten auf der Brücke über den Froschgrundsee. Am Samstag, 21. Oktober, stehen rund 500 Rettungskräfte aus dem Coburger Land vor der kniffligen Aufgabe, die Simulation eines solchen Unglücks zu bewältigen. Und das Besondere daran: Wer will, kann dabei zuschauen.
Der Einsatz, 65 Meter hoch über dem Schönstädtspeicher, wird die größte Übung, die es an der ICE-Neubaustrecke im Coburger Land geben wird. Kreisbrandinspektor Stefan Püls war an der Vorbereitung maßgeblich beteiligt und kennt die Fakten: "Wir werden rund 500 Einsatzkräfte alarmieren." Da ist alles dabei, was am Wochenende verfügbar ist: Feuerwehr, THW, Wasserwacht, Bergrettung, Sanitäter. Die große Herausforderung dabei: Es gibt kein Drehbuch, das vorab an die Führungskräfte herausgegeben wurde. Das heißt: Jede Einheit kann, muss im Einsatz selbst entscheiden, wie sie vorgeht.
Kreisbrandrat Manfred Lorenz ist gespannt, weil die Übung extrem nah am Realfall ablaufen wird. Eines ist für Lorenz schon klar: "Wir werden unsere Lehren daraus ziehen können." Denn nur mit einer möglichst wirklichkeitsnahen Übung könne es gelingen, wichtige Erfahrungen für einen hoffentlich nie eintretenden Ernstfall zu sammeln. Die größte Herausforderung an der Froschgrundsee-Brücke als Einsatzort ist die Tatsache, dass Brückenbauwerke im Sicherheitskonzept der Bahn mit der freien Strecke gleichgestellt wurden. Damit gibt es dort - im Gegensatz zu gut ausgestatteten Tunnelbauwerken - keine Einrichtungen, Versorgungsleitungen oder Hilfestellungen für Einsatzkräfte. Stefan Püls macht deutlich: "Wir haben dort oben weder Löschwasser noch Rettungsplätze." Manfred Lorenz grinst mit einer Mischung aus Skepsis und Vorfreude und sagt: "Ich bin mal gespannt, wie wir das Löschwasser da hoch bekommen." 65 Meter liegt die Brücke über dem Wasserspiegel, so was habe man nicht alle Tage.
Mindestens so groß wie bei der Übung dürfte der Umfang der Vorbereitungen für die öffentliche Darstellung gewesen sein. Der Kreisbrandrat und der Landrat haben in den vergangenen Jahren die Telefonleitungen glühen lassen, um ein bisher im Landkreis einmaliges Projekt auf die Beine zu stellen: ein Public Viewing bei einer Großübung. "Wir wollen möglichst viele Bürger erreichen", hat Michael Busch als Ziel ausgegeben. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Von Mittelberg aus haben die Feuerwehren und der Landkreis über Sponsoren aus der heimischen Wirtschaft einen Bus-Shuttle organisiert, der Interessierte auf der am Übungstag gesperrten Staatsstraße durch den Froschgrund bis fast zur Unglücksstelle bringen wird. Dort wird das THW ein Zelt errichten, in dem über einen Beamer Bilder der Übung droben auf der Brücke in Echtzeit gezeigt werden. Näher als bis zum Froschgrundsee kommen die Zuschauer aber nicht - das Übungsgelände ist weiträumig abgesperrt.


Das gibt es wohl nie wieder

Die Echtzeit-Bilder vom Einsatz auf der Brücke hat das Landratsamt über den Neustadter Lokalsender Nec-TV organisiert. Die im Arnold-Gymnasium beheimateten Fernsehmacher können sich mit zwei Kamerateams frei auf dem Übungsgelände bewegen. Gut: Ausschließlich zur Bürgerinformation sind die Kamerateams nicht vor Ort, erklärt Manfred Lorenz. Weil der Einsatz am kommenden Samstag in seiner Art wohl nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke am 10. Dezember nie mehr wiederholt werden kann, ist eine detaillierte Nachbereitung von größter Bedeutung. "Wir brauchen die Bilder in erster Linie zur Dokumentation", erklärt der Kreisbrandrat. Erst im Rahmen der monatelangen Vorbereitungen auf die Großübung sei man auf die Idee gekommen, aus dem Mitschnitt ein Live-Event zu machen.
Stefan Püls rührt deshalb noch einmal kräftig die Werbetrommel: "Wir hoffen auf viele Zuschauer. Ich kann schon jetzt versprechen: Das wird eine interessante und ziemlich sicher auch einmalige Geschichte für das Coburger Land."


Die Großübung am Froschgrundsee

Termin Die Übung findet am kommenden Samstag im Laufe des Vormittags statt. Der genaue Zeitpunkt der Alarmierung ist noch nicht endgültig festgelegt. Wer zuschauen will, sollte sich bis spätestens um 9 Uhr am Mittelberger Sportplatz einfinden, um von dort aus mit dem Shuttle-Bus an den Froschgrundsee zu kommen.

Rahmenprogramm Auf dem Gelände für das Public Viewing wird - zum ersten Mal in Bayern - die "Gaffer-Box" der Mainzer Feuerwehr stehen. Dabei handelt es sich um einen neun Quadratmeter großen Raum, in dem sich lebensgroße Bilder von Schaulustigen befinden. Wer den Raum betritt ist also entweder den Blicken der Gaffer ausgesetzt oder wird selbst zu einem. Eine Säule zeigt zusätzlich schockierende Fotos von Unfallopfern. Für die "Gaffer-Box" erhielt die Mainzer Feuerwehr den Verkehrssicherheitspreis der Landesunfallkasse Rheinland-Pfalz.