Wer ins Hospiz einzieht, ist austherapiert und unheilbar krank. Entscheidend ist, dass der Arzt eine Prognose über eine begrenzte Lebenserwartung stellt. Wer woanders nicht entsprechend versorgt oder gepflegt werden kann, hat einen Anspruch auf einen Platz im Hospiz.
Deshalb gibt es auch eine Warteliste. Zur Zeit stehen da fünf Namen von Menschen, die gerne aufgenommen werden möchten - im Moment ist jedoch kein Zimmer frei.
Vor wenigen Wochen seien fünf Gäste innerhalb von wenigen Tagen verstorben, erinnert sich Simone Lahl. "Da habe ich mich schon gefragt, wie viel Tod verträgt das Team?", sagt sie und erzählt von der Kehrseite der doch meist so befriedigenden und schönen Arbeit am Menschen. "Wir sind sehr nah dran. Die Schicksale beschäftigen uns auch noch daheim. Das lässt sich nicht so einfach abschütteln", sagt sie nachdenklich und spricht doch auch gleich wieder von der besten Entscheidung ihres Lebens, die Leitung des Hauses übernommen zu haben.
Alles ist möglich
Die Erfahrungen, die das Team im ersten knappen halben Jahr gemacht hat, seien sehr bereichernd gewesen. "Alles ist möglich", sagt Simone Lahl und bezieht sich auf den unterschiedlichen Umgang mit dem Abschiednehmen. "Da gibt es die Tochter, die einfach nicht kommen will, obwohl man sie inständig darum bittet, oder Angehörige, die alles tun, damit der letzte Wille auch wirklich erfüllt wird." Nicht zu bewerten, sondern nur zu begleiten und zu unterstützen, ist die Aufgabe der Pflegekräfte. Das sei nicht immer einfach.
Campen mit dem Enkel
Wenn dann aber der Opa im Sessel friedlich einschläft, während die ganze Familie im Kreis sitzt und Bier trinkt, die Kinder dabei am Boden hocken und zuhören, wie Geschichten über den Großvater erzählt werden, ist alles gut", erzählt Lahl von einem Fall, der anfangs gar nicht so einfach zu laufen schien. Mit einem Lächeln im Gesicht denkt sie daran, wie der Enkel drei Tage mit im Zimmer gewohnt hat und die beiden hier "gecampt" haben. Hier scheint tatsächlich alles möglich.
Selbst das: Das Unmögliche ertragen und dabei das Lachen nicht verlieren. Die Rede ist von Evelyn Feistel-Dietz. Die 60-Jährige liegt in ihrem Pflegebett und wartet auf ihren Tod. "Wer weiß, ob ich Weihnachten noch lebe?", fragt sie. Die Urne ihres Mannes steht schon beim Bestatter. "Wenn meine dazukommt, soll die Beisetzung im Ruhewald stattfinden", sagt die von der Krebserkrankung gezeichnete Frau. Dabei ist sie geschminkt und fröhlich.
Vier Jahre hat sie ihren Ehemann gepflegt. Dann versagten ihre Kräfte. Ihr Mann lag im Krankenhaus und sie brach daheim zusammen. Es war der 20. Juli diesen Jahres als sie im Rettungswagen lag und der Anruf kam, ihr Mann sei jetzt verstorben. Wenige Tage danach bekam sie ihre Diagnose: Brustkrebs mit Metastasen im Gehirn.
Die Krankenschwester lehnte eine Chemotherapie ab und kam von der Palliativstation direkt ins Hospizhaus. Daheim war sie seit dem 20. Juli nicht mehr. Will sie auch nicht. "Ich bin glücklich und zufrieden. Ich konnte mein Versprechen halten und meinen Mann daheim pflegen. Alles ist geregelt. Ich bin sehr dankbar und werde hier bestens versorgt."
Evelyn Feistel-Dietz hadert nicht mit ihrem Schicksal, sie fragt nicht nach dem Warum, vermisst nichts. Sie hat bereits losgelassen.
Voraussetzungen für einen Platz im Hospizhaus