Hoffnung für die Hoffnungslosen kommt aus Neustadt
Autor: Rainer Lutz
Neustadt bei Coburg, Sonntag, 07. Oktober 2018
Der Verein Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt holt Kinder aus der Katastrophenregion des Reaktorunglücks zur Erholung ins Coburger Land.
Etwa 500 Kinder aus der verstrahlten Ukraine erlebten auf Initiative und durch Finanzierung des Vereins "Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt, was Vorsitzender Dieter Wolf als "Freudentherapie" bezeichnet. Im Juni 2019 steht ein Jubiläum dieser Hilfsaktion im Ehrenamt an, das wohl einmalig ist. Die 20. Gruppe "Tschernobyl-geschädigte Kinder" wird eine vierwöchige Ferienfreizeit in Deutschland verbringen. Noch steht die Finanzierung dafür nicht. Doch 19 Mal hat es Dieter Wolf mit seinem Verein bereits geschafft. Er ist zuversichtlich.
Damit auch wirklich die bedürftigsten Mädchen und Buben in den Genuss dieses so dringend erforderlichen Erholungsaufenthaltes kommen, reisten die Vereinsmitglieder Edgar Belk, Thomas Wolf und Dieter Wolf sowie Dolmetscherin Oksana Dulia jetzt zum 43. Mal in die Katastrophenregion, um 20 Kinder auszusuchen. "Die Entscheidung, welche Kinder dabei sein dürfen, ist immer das Schwerste", sagt Dieter Wolf.
Schon die Anreise wurde für die vier Helfer zu einer Probe für ihre Nerven. Verspätung des ICE nach München, Tumult am Flughafen und nach der Landung Angst, Probleme zu bekommen, weil sie eine gigantische Menge an Bratwürsten einführten - was natürlich streng verboten ist.
Bittere Begegnung
;Am Ankunftstag in Kiew freuten sich die auf ein Wiedersehen. Sie treffen drei ehemalige Gastkinder - inzwischen junge Mütter. Doch die Freude wird getrübt. Wolf: "Da erfahren wir, dass Tanya von ihrem Ehemann geschlagen wird, der Ehemann von Katja erst in zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und das schwerbehinderte Kind von Yana vor wenigen Tagen verstorben ist. Wir schlucken gewaltig." Ein trüber Auftakt für eine Reise, die die vier Neustadter Helfer in fünf Dörfer führt, um die von ukrainischer Seite vorgeschlagenen 42 Kinder in ihren Hütten und Behausungen aufzusuchen und uns ein Urteil darüber bilden zu können, welches Kind wir letztlich einladen werden.
Rund 1000 Kilometer legen sie dabei zurück, auf Straßen, die oft diese Bezeichnung kaum verdienen. Mütter flehen sie an, doch auch ihr Kind mitzunehmen. Doch die Zahl bleibt eben begrenzt. Ablehnen zu müssen, tut den Helfern in der Seele weh. Doch es geht nicht anders, auch wenn jedes einzelne Schicksal, das sie erfahren schrecklich ist. Dieter Wolf muss einen Sohn Thomas trösten: "Wir können die Welt nicht retten, aber wir können im nächsten Jahr immerhin 20 Kinder zu uns einladen."
Sie befinden sich in der Region um Vysozk in der Nord-Ukraine. Sie war 1986 von besonders schweren radioaktiven Niederschlägen betroffen. Empfangen werden sie dort herzlich von vielen ehemaligen Gastkindern und Familien am Dorfplatz.
Dann beginnt die schwere Tour zu den Kindern, die ausgesucht werden sollen. Dieter Wolf stellt fest: "Auch 43 Ukraine-Reisen sind keine Routine, 43 mal Schock und Entsetzen, 43 mal Tränen in unserer Reisegruppe, aber vor allen Dingen dann bei den Müttern und Großmüttern, deren Kinder wir nicht zu uns nach Deutschland einladen. Wir wissen und kennen das und versuchen damit fertig zu werden."