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Höhn/Coburg: Stürmer wird vom Gegner verhöhnt - Mitspieler mit besonderer Geste


Autor: Christoph Böger

Höhn bei Coburg, Freitag, 31. Mai 2019

Alexander Ehrlicher (31) schoss am leeren Tor vorbei und erntet nun viel Spott und Häme. Für den Staplerfahrer aus Neustadt keine einfache Situation.
Die Spieler des SV Bergdorf-Höhn überraschten beim Relegationsspiel gegen den FC Bad Rodach in Weidach ihren leidgeprüften Stürmer Alexander Ehrlicher mit einem überdimensionalen Plakat. Der Rückhalt aus den eigenen Reihen sei nach seinem Fehlschuss gegen Neuensorg unbeschreiblich groß und wichtig für ihn, sagt der Betroffene.  Fotos: Timo Geldner


Mario Gomez, Frank Mill, Diego Forlan, Anthony Yeboah, Fernando Torres! Alexander Ehrlicher ist in prominenter Gesellschaft. Dem Stürmer des SV Bergdorf-Höhn unterlief am letzten Freitagabend ein Fehlschuss, über den sich die Fußballszene in ganz Deutschland köstlich amüsierte. Für den 31-Jährigen war der Lapsus aber alles andere als witzig. Ganz im Gegenteil: Der Staplerfahrer aus Neustadt hat an der Last dieses Fauxpas zu knabbern.

Nach Armbruch als "Joker" dabei

"Ich lief von der Mittellinie los, überall Zuschauer. Geschrei und Anfeuerung. Als ich im Strafraum war, hat der Neuensorger Torwart kurz den Fuß rausgestreckt. Ich wusste einen Augenblick nicht, ob ich an ihm vorbeilaufen oder lieber gleich schießen soll. Genau in diesem Moment ist der Ball versprungen. Dann war nichts mehr zu retten. Am liebsten wäre ich im Boden versunken", beschreibt der A-Klassenspieler die verhängnisvolle Szene auf dem Sportplatz des SC Hassenberg.

Video in Netz oft geklickt

Er wurde in der 69. Minute als "Joker" erst eingewechselt. Es war sein erster Einsatz nach neunwöchiger Verletzungspause. Ehrlicher hatte sich bei einem Arbeitsunfall den Finger gebrochen. Ausgerechnet in diesem wichtigen Relegationsspiel gegen den TSV Neuensorg stand Höhns "Knipser" also erstmals wieder auf dem Platz.

In den sozialen Netzwerken, aber auch auf unserer Internetseite inFranken.de wurde ein entsprechendes Video tausendfach geklickt. Immer wieder wird Alexander Ehrlicher in diesen Tagen auf die kuriose Szene angesprochen.

Egal, ob von seinen Teamkollegen, gegnerischen Spielern, anderen Fußballern, Freunden und Bekannten oder Arbeitskollegen. Oft sind es gut gemeinte, aufbauende Worte: "Ja, es gibt wirklich viele Leute, die mich nicht veräppeln. Die mir helfen wollen, mir gut zureden. Schließlich ist das oder so etwas Ähnliches schon ganz anderen Spielern passiert. Der Helmer hat sogar mal aus einem Meter in München danebengehauen."

Szene noch einmal nachgestellt

Aber natürlich überwiegt Spott und Häme. Egal ob in WhatsApp-Gruppen oder in den Netzwerken. Besonders ärgerlich ist aus Sicht des Betroffenen ein nachgestelltes Video, das derzeit ebenfalls die Runde macht. Die Sorger Fußballer, die von Ehrlichers Fehlschuss profitierten und letztlich deshalb in die Kreisklasse aufgestiegen sind, haben aus einer Bierlaune heraus während ihrer Aufstiegsparty die ominöse Szene nämlich nachgestellt und dann zur allgemeinen Belustigung über Whatsapp-Gruppen fleißig verteilt. "Das geht gar nicht", schimpft Veronika Fischer.

Die Spielleiterin des SV Bergdorf-Höhn hat sofort reagiert, das Video, auf dem ein Sorger Spieler im Höhner Trikot alleine auf ein Tor steuert und den Ball danebenschießt, auf die vereinseigene Facebook-Seite hochgeladen und scharf verurteilt: "Der Junge leidet eh schon genug. Warum muss man da noch eins draufsetzen." Sie versteht die Aktion der gegnerischen Mannschaft nicht.

Großer Teamgeist in Höhn

"Wir hatten mit denen bisher immer ein gutes Verhältnis. Wer glaubt, dass er uns mit dieser Aktion auseinanderbringen kann, der täuscht sich gewaltig. Im Gegenteil, das schweißt uns nur noch mehr zusammen. Der Teamgeist in Höhn ist groß."

Tim Guthseel, stellvertretender Vorsitzender und selbst Spieler des TSV Neuensorg hat am Dienstagnachmittag ebenfalls schnell reagiert und sich "für das dumme und absolut unnötige Video" (O-Ton Guthseel) bereits im Namen seines Klubs bei den Höhnern offiziell entschuldigt. Für Fischer und Ehrlicher ein schwacher Trost. Die Funktionärin drückt es drastisch aus: "Erst das Messer in den Rücken rammen und sich dann dafür entschuldigen. Das hilft keinem, schon gar nicht Alex."

Fairplay-Gedanke missachtet?

Und Fischer hat auch gar kein Verständnis dafür, dass der siegreiche TSV seinen ursprünglichen Fairplay-Gedanken nicht zu Ende gedacht hat und nach Ehrlichers Fehlschuss das 1:1 in den noch verbleibenden Minuten nicht ermöglichte. "Ich bin damit jedenfalls nicht einverstanden", schüttelt die engagierte Höhnerin den Kopf. Die Spieler des TSV Neuensorg hatten sich immerhin nach ihrem umstrittenen Führungstor in der 90. Minute dazu bereiterklärt, Ehrlicher von der Mittellinie aus frei durchlaufen zu lassen, damit der den 1:1-Ausgleich überhaupt erzielen kann.

Rückendeckung vom Verein

Froh ist der Höhner Stürmer, der allein in der Vorrunde der A-Klasse 2 Coburg stolze 22 "Kisten" für sein Team erzielte, über die Rückendeckung des Vereins. Fischer hat die Problematik, die ein solches Negativerlebnis für einen Spieler mit sich bringen kann, schnell erkannt.

Arbeit auch noch verloren

Nach intensiven Gesprächen mit ihrem "Unglücksraben", der sich am Dienstagvormittag auch noch mit seinem Arbeitgeber überwarf und nun vorerst arbeitslos ist, hatte sie sich für das gestrige Relegationsspiel gegen den FC Bad Rodach in Weidach etwas Besonderes einfallen lassen. Auf einem überdimensionalen Transparent stand mit großen Lettern die Aufschrift "Einer für alle - alle für Alex!". Die Höhner Fans streckten das Plakat schon beim Einlaufen in die Luft. Ehrlicher war sichtlich gerührt. "Damit wollten wir Alex zeigen, dass der ganze Verein hinter ihm steht, und dass es Wichtigeres gibt als Fußball..."