Druckartikel: "Hier werden Tatsachen ignoriert"

"Hier werden Tatsachen ignoriert"


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Montag, 10. April 2017

Coburgs Oberbürgermeister Tessmer weist die Kritik der Altstadtfreunde zurück, die Stadt treibe die Sanierung der Ketschenvorstadt nicht genügend voran.
Die drei Häuser Ketschengasse 28 (Eckhaus), 30 und 32 gehören seit mehr als drei Jahren einer privaten Investorengruppe. Bei den Gebäuden 30 und 32 wurde vor kurzem mit den Rohbauarbeiten begonnen. Foto: Ulrike Nauer


Seit Jahren wird im Quartier Ketschenvorstadt, zwischen Albertsplatz und Casimirstraße saniert und neu gebaut. Unter der Regie der Wohnbau Stadt Coburg wurden unter anderem moderne Wohnungen, eine Tiefgarage und Platz für eine Markthalle geschaffen. Umso verwunderter sind deshalb Wohnbau-Chef Christian Meyer und Oberbürgermeister Norbert Tessmer, dass der Verein Altstadtfreunde Coburg der Wohnbau nun vorwirft, sie lasse Gebäude in der Innenstadt verkommen und habe sich mit dem Kauf von Häusern "im großen Stil" übernommen.
Der Hintergrund: Die Altstadtfreunde Coburg hatten am 4. April zu einer Veranstaltung eingeladen, die mit dem Thema "Wohnen in der Stadt" überschrieben war. Tessmer sowie seine beiden Bürgermeister-Kollegen Birgit Weber und Thomas Nowak waren der Einladung aus "terminlichen Gründen" nicht gefolgt. Aus diesem Grund wandten sich die Altstadtfreunde schließlich in einem offenen Brief an den OB. Um einige Dinge richtig zu stellen, hatte Tessmer am Montag zu einem Pressegespräch ins Rathaus eingeladen.
Er sei vor allem verwundert über das, was ihm von der Abendveranstaltung zu Ohren gekommen sei, sagte Tessmer. So sei es unter anderem um die Gebäude Ketschengasse 30 und 32 gegangen, die - so kritisieren die Altstadtfreunde auch in ihrem offenen Brief - "noch immer unsaniert" seien.
Die beiden betreffenden Häuser gehörten der Wohnbau schon seit geraumer Zeit nicht mehr, stellte Christian Meyer klar. Eine private Investorengruppe hatte 2014 die Gebäude 30 und 32 sowie das Eckhaus zum Albertsplatz, Hausnummer 28, gekauft.


Es geht um Millionenbeträge

"Die Käufer hatten sich die Sanierung auch leichter vorgestellt", betonte Meyer. Aber hier gehe es nun einmal um Millionenbeträge, "da ist es äußerst wichtig, dass vernünftig geplant wird". Das könne bei einem privaten Investor durchaus drei, vier Jahre dauern.
Dass sich an den beiden Häusern Ketschengasse 30 und 32 nichts tue, sei schlicht falsch. Zwar seien noch nicht alle Gewerke vergeben, doch die Rohbauarbeiten hätten bereits begonnen, ergänzte Reiner Wessels, Abteilungsleiter Sanierung bei der Wohnbau.
Auch das Haus Ketschengasse 11, das - abgesehen von einem Elektrogeschäft im Erdgeschoss, leer steht - war Thema beim Diskussionsabend der Altstadtfreunde. ÖDP-Stadtrat Klaus Klumpers hatte der Stadt im Rahmen der Veranstaltung vorgeworfen, sie wolle das Haus partout nicht verkaufen. Dieser Behauptung widersprach OB Tessmer am Montag. "Wir lassen dort gerade durch den Gutachterausschuss den Verkehrswert ermitteln, damit das Haus verkauft werden kann."


Fast alle Häuser wieder verkauft

Ein weiterer Vorwurf von Stadtrat Klumpers: Die Stadt habe im großen Stil Häuser aufgekauft, um bei der Gestaltung mitbestimmen zu können, und sich damit übernommen. In der Tat hatte die Stadt in der Ketschengasse Häuser gekauft, mit dem Ziel, beispielsweise die Kuhgasse einheitlich sanieren zu können. Bis auf ein Gebäude - Ketschengasse 42 - seien alle Häuser wieder verkauft worden. "Das letzte vor drei Jahren", wie Christian Meyer klar stellte.
In der Herrngasse hatte die Stadt zudem das Eckhaus zur Grafengasse erworben, wie Tessmer bestätigte - weil es die Stadt ohnehin seit Jahren für einen Teil der Stadtbücherei nutze. "Gekauft haben wir seinerzeit auch das Puppenmuseum in der Rückertstraße 1 bis 3", so Tessmer. "Ich weiß aber nicht, wo wir uns da übernommen haben sollen."
Für ihn habe die Diskussion längst eine unerwünschte Richtung genommen: "Es geht hier zunehmend um Emotionen und Wunschdenken. Tatsachen werden einfach ignoriert."
Christian Meyer kritisiert die Qualität der Diskussion und deren fehlendes Niveau. "Das ist schlecht für ganz Coburg." Außerdem wies er darauf hin, dass die Stadt allein 2016 noch zwei Millionen Euro Fördergelder nach Coburg geholt habe, die in die Entwicklung der Stadt geflossen seien.