Heile Welt mit Fragezeichen
Autor: Simone Bastian
Coburg, Dienstag, 05. Januar 2016
Vor und nach dem Ersten Weltkrieg hielt der Coburger Fotograf Emil Plat seine (Wahl-) Heimatstadt und ihre Umgebung in zahlreichen Fotos fest. Erstmals wird aus diesem Nachlass eine eigene Ausstellung gestaltet.
Die Veste, eingerahmt von blühenden Apfelbäumen. Der "Finkenauer Weg" mit der Nikolauskapelle als Fluchtpunkt (heute die Max-Brose-Straße). Das Ketschentor als Teil einer geschlossenen Häuserzeile: Emil Plat bannte Anfang des 20. Jahrhunderts auf Fotoplatte, was es in und um Coburg zu sehen gab. "Heile Welt in Bildern?" fragt die Ausstellung von Initiative Stadtmuseum, Stadtarchiv und Fotoclub Coburg, die ab 15. Januar Bilder aus dem Nachlass von Emil Plat zeigt.
Das Fragezeichen im Ausstellungstitel ist bewusst gesetzt, und es ist mehrdeutig: War es das Werk eines Einzelnen, oder gab es eine ganze Gruppe von Amateurfotografen, die am Sonntag gemeinsam loszog, Coburg und Umgebung fotografierte und die gelungensten Aufnahmen untereinander austauschte? Das wird sich nicht mehr klären lassen. Klar scheint nur: Nicht alle historischen Aufnahmen aus der Sammlung Emil Plat wurden auch von Emil Plat gefertigt.
Wobei derzeit niemand sagen kann, wie groß die Sammlung von Emil Plat war - das nächste Fragezeichen. Am Montag übergab Gerhard Eckerlein namens der Initiative Stadtmuseum erneut 200 Glasnegative und -dias, die aus Plats Nachlass stammen - in diesem Fall von Enkelin Gritli Helms-Plat, die in Hamburg lebt. Die ersten Plat-Bilder fand Eckerlein schon vor Jahren im Nachlass des Coburgers Georg Aumann, unsortiert und teilweise nicht beschriftet. Per Ebay und über den Kontakt zu Gritli Helms-Plat kamen im Lauf der Jahre weitere Alben und Ordner dazu.
Michael Tröbs, der Leiter des Stadtarchivs, zeigte sich denn auch skeptisch, ob nun wirklich die letzte Kiste mit Aufnahmen im Stadtarchiv ankam. Das Stadtarchiv verfügt laut Tröbs bereits über 2252 Abzüge und rund 1000 Glasplatten allein aus dem Nachlass Plat.
Das Fragezeichen bei "Heile Welt in Bildern?" zielt aber auch auf die Motive selbst. Die Aufnahmen sind sorgfältig komponiert, festgehalten sind Coburg und Umgebung am Rand einer Zeitenwende, vor der Industrialisierung: Der Finkenauer Weg führt in die Flur und noch nicht durch ein Industrieunternehmen, der Blick aufs Landkrankenhaus von der Wassergasse aus ist noch frei, der heute unterirdische Hahnfluss fließt noch entlang der Gerbergasse.
Flucht in die Natur
Dabei wurde Emil Plat eher aus Not zum Fotoamateur. 1869 geboren, hatte er es zum Teilhaber einer Stickerei-Manufaktur im Vogtland gebracht.
Als die Firma 1910 in Konkurs ging, verließ Plat mit seiner Familie Mühlhausen und ließ sich in Coburg nieder, wo er ein Geschäft für Plauener Spitze eröffnete. Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918) machte dem Geschäft ein Ende. Plat fand ab 1916 ein Auskommen als Prokurist der Fleischerei Grossmann. Angesichts der wirtschaftlichen Misere flüchtete sich Hedwig Plat, Emils wesentlich jüngere Ehefrau, in Naturschwärmerei und die Wandervogelbewegung. Auch Emil Plat suchte Ablenkung in der Natur, aber als Fotograf.
Etliche seiner Motive haben auch andere Coburger Amateurfotografen aufgenommen oder hinterlassen, wie Klaus Wöhner herausgefunden hat. Der langjährige Tageblatt-Fotograf und Vorsitzende des Fotoclubs Coburg wurde schon früh von Gerhard Eckerlein eingespannt, wenn es galt, einen fotografischen Nachlass zu sichern. Wöhner hat die Glasplatten gescannt, Staub und Kratzer auf den Bildern am Computer beseitigt und sie für die Ausstellung ausgedruckt - teilweise bewusst größer als die Originale. Fotoamateure fertigten in der Regel nur Abzüge in der Größe der Glasplatte.
"Die Veste zu allen Jahreszeiten, die Stadttore, der Markt, die Rosenauer Straße..." werden laut Klaus Wöhner in der Ausstellung zu sehen sein. Zu den Coburg-Motiven kommen die vom Maintal und Dörfer aus dem Coburger Raum bis hin nach Thüringen.