Hat der Angeklagte Geld aus Nachlass missbraucht?

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Ein angeklagter Nachlassverwalter, dem Untreue in 40 Fällen vorgeworfen wird, macht einen seltsamen Eindruck. Hat er bei seiner Geburt einen Hirnschaden erlitten - oder sind es Drogen, die er genommen hat? Der Fall geht weiter.

Ein nicht unerhebliches Vermögen hat ein Neustadter nach seinem Tod im Jahr 2011 hinterlassen. Allerdings ist ein großer Teil des Geldes verbraucht. Der Nachlasspfleger, ein Steuerberater aus Sonneberg, hat von Januar 2012 bis zum Sommer im Jahr 2013 in Abständen von wenigen Tagen oder Wochen hohe Summe auf sein Geschäftskonto überwiesen, um damit vermutlich seine Steuerkanzlei am Leben zu erhalten. Insgesamt entstand so ein Schaden von über 317.000 Euro. Nun steht der 41-jährige Sonneberger wegen Untreue in 40 Fällen vor Gericht. Zu klären ist unter anderem die Schuldfähigkeit des Mannes.

Der Richter ist sauer

Der Vorsitzende Richter Gerhard Amend war am ersten Verhandlungstag gleich mehrfach verärgert. Denn der Rechtsanwalt Stefan Walder kam mit 25 Minuten Verspätung in den Gerichtssaal, was dieser mit den Umleitungen von Kulmbach nach Coburg entschuldigte. Außerdem war ein Antrag Walders erst einen Tag vor der Verhandlung auf dem Schreibtisch des Richters gelandet. Darin war plötzlich von einem frühkindlichen Hirnschaden seines Mandanten infolge eines Sauerstoffmangels, den der Angeklagte bei der Geburt erlitten haben soll, die Rede.

"Er hat doch Abitur"

Richter Amend konnte dies nicht recht nachvollziehen, da der Angeklagte das Abitur abgelegt hat, den Beruf des Steuerfachgehilfen erlernt hat und sich in der Folge zum Steuerfachwirt weiterbildete. Amend: "Immerhin haben Sie die Steuerberaterprüfung bestanden."

Wie ein Anwalt dazu komme, zu behaupten, der Angeklagte habe einen frühkindlichen Hirnschaden, noch dazu einen Tag vor der Verhandlung, wollte Amend wissen. Er fühle sich da schon zum Narren gehalten. "Was ist das für ein Stil? Heute fällt Ihnen ein, dass Ihr Mandant nicht richtig tickt", sagte Amend aufgebracht.

Rechtsanwalt Walder betonte, dass er auch erst am späten Abend von der Mutter des Angeklagten informiert worden sei. "Glauben Sie, mir macht das Spaß, um 22.48 Uhr noch Mitteilungen zu schreiben?", fragte Walder in den Raum. Als Anwalt sehe er es als seine Pflicht, alle Aspekte ins Spiel zu bringen. In Gesprächen mit seinem Mandanten sei aufgefallen, dass mit diesem etwas nicht stimme, und dies hätten auch Bekannte des Angeklagten bestätigt. Walder: "In Franken würde man sagen: Der hat a weng an Schatten." Um dies genau zu klären, könnte man ein medizinisches Gutachten erstellen lassen.

Streit um den Gutachter

Inwieweit nun dem Antrag des Rechtsanwaltes stattgegeben wird und ein psychiatrisches Gutachten erstellt wird, war am Mittwoch noch unklar. Richter Amend wollte allerdings beim Gutachter nicht dem Vorschlag des Rechtsanwaltes folgen, sondern nannte einen anderen Namen. Als Walder entgegnete: "Ich weiß, das ist hier der Hausgutachter", platzte Amend der Geduldsfaden. "Das ist eine Unverschämtheit, ich wähle die Gutachter, die ich für befähigt halte." Er fühle sich bei solchen Aussagen persönlich gekränkt, ließ Amend wissen.

Blass und leise

Der Angeklagte indes fiel durch eine auffallend blasse Gesichtsfarbe auf, er antwortete auf Fragen des Richters ausweichend und mit leiser Stimme. Staatsanwältin Bianca Franke fragte deshalb nach dem Drogenkonsum, insbesondere nach der Einnahme von Crystal Speed.

Noch während der Verhandlung wurde die Spurensicherung hinzugezogen und eine Haarprobe des Angeklagten zur Klärung des Verdachts entnommen.

Seine erste Nachlasspflege

Der Angeklagte wurde im Juni 2011 von einer Rechtspflegerin des Erbschaftgerichtes, die er aus Schulzeiten kannte, zum Nachlasspfleger des Verstorbenen berufen. Für den Sonneberger Steuerberater war dies die erste Nachlasspflege, die er übernahm. In der Folge meldet er sich trotz mehrmaliger Anfragen nicht mehr beim Erbschaftsgericht, sodass er aus der Nachlasspflege entlassen wurde. Die Anzeige erstattete schließlich sein Nachfolger, ein Rechtsanwalt, der beim Überprüfen der Konten auf die Ungereimtheiten stieß.

Von dem ursprünglichen Vermögen sind nun noch 405 000 Euro und Goldmünzen übrig, ein Teil wurde laut dem neuem Nachlasspfleger an die Erben ausgezahlt.
Ein Polizeibeamter bestätigte, dass die Betriebskosten der Steuerkanzlei offensichtlich durch den Nachlass gedeckt wurden. "Sonst wäre die Kanzlei schon früher konkursreif gewesen."

Das Geld transferiert

Rechtsanwalt Walder erklärte, sein Mandat habe den bequemsten Weg gewählt, um seine Kanzlei am Leben zu erhalten. Anstelle Rechnungen zu schreiben oder Forderungen einzutreiben, habe er das Geld transferiert. Sein Mandant habe sich in einer Schockstarre befunden und sei handlungsunfähig gewesen.
Die Verhandlung soll am Freitag mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt werden.