Hassenberg: Tante-Emma-Laden auf Rädern
Autor: Thomas Heuchling
Hassenberg, Dienstag, 08. Oktober 2013
Viele kleinere Gemeindeteile von Neustadt und Sonnefeld haben schon länger keine Einkaufsmöglichkeit. Ein Pilotprojekt soll jetzt Abhilfe schaffen. So ganz neu ist es allerdings nicht.
Sülze, drei Bananen, etwas Schmelzkäse, ein Fischbrötchen, zwei Knäuel Wolle und einige andere Dinge des täglichen Bedarfs landen im Einkaufskorb von Elisabeth Götz. Etwas über 20 Euro hat die 76-jährige Hassenbergerin an diesem Tag für ihren Einkauf bei "Sonja" bezahlt. Sonja Horn verkauft ihre Waren aus ihrem "Tante-Emma-Laden auf Rädern". Der ist ein weißer Transporter mit einem unscheinbaren Hänger, den sie seitlich aufklappt und der dann als Ladenfläche dient.
"Es ist zwar etwas teuerer, aber wir können ja sonst nirgends hingehen", sagt Götz. Sie beschreibt damit das Problem, welches das Pilotprojekt vom Regionalmanagement Coburg Stadt und Land zwar nicht lösen kann, aber verbessern soll. Projektmanager Tobias Gruber erklärt den Hintergrund des Pilotprojektes: "Wir wollen damit auf den demografischen Wandel in der Region reagieren und vor allem die Versorgung in den kleinen Gemeindeteilen verbessern." Denn in vielen kleinen Orten wie Hassenberg, Fürth am Berg oder Gestungshausen, gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten. Oder zumindest nur solche, die ein sehr begrenztes Warensortiment abdecken.
"Die Sonja gibt's schon lange, ich gehe jede Woche hin. Hier trifft man sich, kann einen Ratsch halten und erfährt das Neuste", sagt Götz. Derweil hat Sonja Horn drei Bananen von von Elisabeth Götz auf ihre alte, fast antik anmutende, Waage gelegt, tippt den Preis ein und reicht die Früchte über die Theke hinunter zu Götz. Der Gehsteig füllt sich währenddessen mit Leuten, die aus den umliegenden Häusern in die Flügelstraße kommen. Man kennt sich, es wird viel gelacht. Sonja Horn braucht hier nicht mehr mit ihrer Glocke läuten, die ausnahmslos älteren Menschen kommen auch so. "Ich kenne jeden Kunden persönlich. Den Spaß, den ich hier morgens in der Flügelstraße habe, der baut für den ganzen Tag auf", sagt Horn, die schon seit 1980 mit ihrem Mann Rudi durch den Landkreis fährt.
"Meine Eltern haben den Betrieb 1966 gegründet", sagt Horn und dreht sich zu den Orangen um.Tobias Gruber spricht trotzdem von einem Pilotprojekt. Denn die Route von Sonja Horn wurde erweitert, es gibt einen Flyer und Neustadt und die Gemeinde Sonnefeld sind auch mit im Boot. "Wir wollten bestehende Strukturen nutzen und Frau Horn ist, so viel ich weiß, die einzige mobile Verkäuferin im Landkreis mit einem Vollsortiment", erklärt Gruber. Das Projekt läuft erstmal ein Jahr, nach vier Wochen wollen Horn, Gruber, Detlef Heerlein (Neustadt) und Monika Fischer (Sonnefeld) gucken, wie es wo läuft und gegebenenfalls die Routen anpassen.
Nur 200 Meter nach Hause
Von Dienstag bis Freitag sind Sonja und Rudi Horn ab sofort rund um Neustadt und Sonnefeld unterwegs. Und das bedeutet viel Arbeit, wie Sonja Horn erklärt: "Meistens stehe ich um vier Uhr auf und belade, je nach Tag, ungefähr eine Stunde Hänger und Auto.
Die Waren kaufe ich auf dem Bamberger Großmarkt oder bei den Bauern. Am besten gehen Obst und Gemüse", sagt die Verkäuferin. Elisabeth Götz ist es egal, dass "ihre" Sonja jetzt bei einem Pilotprojekt mitmacht. Sie ist froh, bei ihr einkaufen zu können. Sie holt sich noch ihr Glas Sülze bei Rudi Horn vorne am Auto ab und "ratscht" noch eine Weile. Dann geht sie nach Hause. "Ich wohne gleich da vorne", sagt Götz und verabschiedet sich von den anderen Frauen.
Ihr Heimweg ist ungefähr 200 Meter lang. Nach rund 30 Minuten haben alle ihre Einkäufe erledigt. Sonja Horn macht die Verkaufs-Klappe des Hängers zu und steigt mit der Glocke in der Hand ins Auto. Ob bei der Fahrt Obst, Dosen, oder Marmeladengläser runterfallen? "Wenn ich fahre, fällt nichts runter", sagt Horn und auf geht es zur nächsten Station.
Hier fährt der Verkaufswagen lang
Dienstagsroute
9:45 Uhr Hassenberg,
Lindenallee, Alte Schule
10 Uhr Hassenberg, Flügelstr.
10.45 Uhr Wörlsdorf, Bushaltstelle
11 Uhr Wörlsdorf, Feuerwehr-
haus
11.15 Uhr Wörlsdorf, Weicken-
bacher-Str, Einmündung
Bahnhofstraße
Mittwochsroute
12 Uhr Zedersdorf, Dorfmitte,
Höhe Trukenbrod
12.30 Uhr Bieberbach, Feuerwehr-
haus
13 Uhr Sonnefeld, Henneberg-
straße 25
13.45 Uhr Sonnefeld, Sportplatz
14.15 Uhr Neuses am Brand,
Wolfsberg
14.30 Uhr Neuses am Brand, Alte
Schulstraße
Donnerstagsroute
8.45 Uhr Fürth am Berg, VR-Bank
9.15 Uhr Horb, Dorfmitte
9.30 Uhr Birkig, Dorfmitte
10 Uhr Neustadt, Heubischer
Straße vor Rathaus
11 Uhr Neustadt, Eduardstraße,
Einmün. Schützenplatz
11.30 Uhr Neustadt, Sudetenstr.,
Einmündung Thüringer-
straße
12.15 Uhr Kemmaten, Dorfmitte,
Milchhaus
12.30 Uhr Boderndorf, Dorfmitte,
Milchhaus
13 Uhr Wellmersdorf, Feuer-
wehrhaus
13.15 Uhr Fechheim, Hauptstraße,
Einmün. Schulhesiusstr.
13.45 Uhr Aicha, Bushaltestelle
14.15 Uhr Oberwasung
14.30 Uhr Mittelwasungen, Dorf-
mitte Milchhaus
15 Uhr Unterwasung, Feuer-
wehrhaus
15.15 Uhr Plesten, Dorfmitte,
Milchhaus
15.30 Uhr Fürth am Berg, Henne-
berger-Straße "Klug"
Freitagsroute
13.45 Uhr Wörlsdorf, Feuerwehr-
haus
14.15 Uhr Wörlsdorf, Weicken-
bacher-Straße, Einmün-
dung Bahnhofstraße
14.45 Uhr Gestungshausen, Schul-
straße
15 Uhr Gestungshausen, Neue
Heimat