Hartz & Herzlich jetzt für alle
Autor: Simone Bastian
Coburg, Montag, 20. April 2020
Wenn am 27. April die Geschäfte wieder öffnen dürfen, ist auch "Hartz&Herzlich" im Coburger Heimatring dabei - allerdings mit einigen Änderungen.
Eigentlich wäre 2020 für "Hartz & Herzlich" ein Jubiläumsjahr: Vor zehn Jahren, am 16. Mai, wurde der Verein in Coburg gegründet, vor fast genau neun Jahren, am 9. April 2011, öffnete das Kaufhaus seine Türen. Das Konzept: Gespendete Ware wird günstig abgegeben an Bedürftige. Verdient werden sollte damit gerade so viel, dass der Betrieb sich finanziert.
Doch der Betrieb ist teuerer geworden: Der Mietvertrag in dem früheren Einkaufszentrum am Heimatring wurde zwar erneuert, aber zu neuen Konditionen. Die Miete ohne Nebenkosten liegt nun bei rund 4000 Euro - fast das Doppelte. Deshalb müssen die Umsätze steigen, und dafür wird der Kundenkreis ausgeweitet: Bislang durften dort nur Menschen einkaufen, die nachweisen konnten, dass sie nur über ein geringes Einkommen verfügen. Rund 7000 Menschen in der Region hatten 2019 diesen Einkaufsausweis. Künftig darf jeder in den Laden kommen und Gläser für 20 Cent oder eine Sitzgruppe für 50 Euro erstehen. "Früher hat ein Glas zehn Cent gekostet", sagt Laden- und Vereinsgründerin Barbara Kammerscheid. Kunden mit Einkaufsausweis sollen aber immer noch günstiger einkaufen können als Kunden ohne.
Spender fragen nach
"Es gibt viel verdeckte Armut in Coburg, die man erst auf den dritten Blick erkennt", sagt Barbara Kammerscheid. Sie und Vereinsvorsitzender Dominik Sauerteig sind überzeugt, dass ein günstiges Gebrauchtwarenkaufhaus jetzt noch dringender gebraucht wird, weil in vielen Haushalten wegen Kurzarbeit weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Doch nicht nur die Kunden brauchen das Sozialkaufhaus: "Es fragen auch viele Leute, die spenden wollen, wann wir wieder öffnen", berichtet Barbara Kammerscheid. "Wir sind ja das einzige Sozialkaufhaus in der Region, das alles hat" - von Kleidung über Hausrat, Büchern und Spielsachen bis zu Möbeln. Angenommen werde alles außer Lebensmitteln, sagt Kammerscheid. Einzige Einschränkung: Die gespendete Ware sollte gut erhalten, sauber und benutzbar sein. (Bei Möbelspenden wird gebeten, vorher anzurufen: 09561/6799858.)
Der Betrieb wird am Montag natürlich unter Corona-Auflagen starten: Eingelassen werden maximal zehn Kunden auf einmal. Drinnen muss Mund-Nasen-Schutz getragen werden, Abstände sind einzuhalten.
Zunächst wollen Barbara Kammerscheid, Ladenleiterin Elke Saller und Vereinsvorsitzender Dominik Sauerteig abwarten, wie sich der Kundenansturm entwickelt. Allerdings werden sie mit ihrem Personal haushalten müssen: Wie Barbara Kammerscheid sagt, dürfen die Ein-Euro-Kräfte derzeit nicht arbeiten, und die Ehrenamtlichen sind vielfach schon älter, also Corona-Risikogruppe.
Nur vormittags offen
Deshalb gelten künftig auch andere Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr, "weil wir da ohnehin arbeiten", wie Elke Saller sagt. In dieser Zeit werden auch Warenspenden angenommen. Bisher waren dafür eigene Anlieferungstage reserviert. Über die aktuellen Öffnungszeiten und ob am ersten Samstag im Monat geöffnet wird, informiert der Verein Hartz&Herzlich auf seiner Facebookseite.
Möglicherweise stehen für den Verein in diesem Jahr weitere Veränderungen an: Vorsitzender Dominik Sauerteig ist der designierte Oberbürgermeister von Coburg; ob er bei der Vorsitzendenwahl wieder antritt, hält er sich derzeit offen. Barbara Kammerscheid will sich zum 31. Dezember aus dem Geschäft zurückziehen, wie sie sagt.