Klimawandel, "digitale Tyrannen": Harald Lesch redet sich in Coburg in Rage
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 20. Februar 2019
Was wird, fragte der bekannte Physiker Harald Lesch im ausverkauften Kongresshaus, und zeigte auf, was bald infolge der Klimaerwärmung auf uns zukommt.
Was sein wird? Mit der Welt und der Menschheit? Ist doch längst klar, auch wenn es viele - und vor allem die Maßgeblichen - nicht hören wollen. Das beste an der Vortragsveranstaltung mit dem Wissenschaftler Harald Lesch am Montag im Kongresshaus war, dass sich die schockierende Analyse zum Zustand der Erde doch so viele antaten. Das Haus war ausverkauft. Das ist immerhin ein Signal: Auch wenn die Ignoranz der Menschheit an sich unfasslich ist, gleichzeitig wollen immer mehr, dass getan wird, was noch getan werden kann.
Und die Volkshochschule Coburg Stadt und Land tat zu ihrem 100. Geburtstag eindrucksvoll einmal mehr, was ihr eigentlicher Auftrag ist: elementare Bildung. Harald Lesch lobte sie dafür als eine der letzten Instanzen der freien Entwicklung, nachdem unsere Universitäten mit dem Bologna-Prozess europaweit auf möglichst wirtschaftliche Effektivität gleichgeschaltet wurden und nur noch das hervorbrächten, was außerhalb ihrer schon vorhanden ist, so Lesch. Auf diese Weise werden wir wohl kaum die Intelligenz entwickeln, die nötig ist, um die Folgen des Klimawandels auf ein noch bewältigbares Maß zu begrenzen.
Digitale Tyrannen
Harald Lesch ist der wohl populärste Physiker der Republik, weil er das unter Professoren eher seltene Talent hat, zu erklären. Und dabei sogar zu unterhalten, womit er Wissenschaftssendungen im Fernsehen ungeahnte Aufmerksamkeit verschaffte. In Coburg führte er zunächst fast kabarettistisch die idiotischen Verhaltensweisen der Gegenwart vor: Dass die Menschen statt miteinander zu sprechen und zu leben, sich begeistert dem "digitalen Tyrannen" - übrigens Energiefresser ohnegleichen - unterwerfen.
"Der öffentliche Raum wird immer stiller, weil jeder nur noch in sein Handy starrt." Dass wir uns Grenzwerte für Stoffe vorsetzen lassen, die einfach weg müssten. "Mit dem Versprechen, es werde alles noch viel besser, haben wir uns ökonomisch durchdomestizieren lassen. Wir laufen wie die Dackel hinter der Wurst her." Und: "Ich fasse es nicht. VW hat sich in den USA des organisierten Verbrechens für schuldig bekannt. Und für uns hier bedeutet das kaum etwas."
Mit einer geradezu grandiosen Dummheit hätten wir Technologien entwickelt, ohne darüber nachzudenken, wo der Müll hin soll. "Stellen Sie sich vor, wir hätten in den 50er Jahren diese Abermilliarden statt in den Ausbau der Kernkraft in die Erforschung der Windkraft gesteckt?" Das Umweltbundesamt hat eine Broschüre erstellt, in der "umweltschädigende Subventionen" aufgelistet werden. Wir zahlten 2016 dafür 57 Milliarden Euro. Da zeigte Harald Lesch noch den Aberwitz auf. Dann aber verging uns das Lachen komplett.
Denn wir wissen ganz genau, welche Wechselwirkung Strahlung auf Materie hat. Dass da noch irgendeiner irgendetwas wagt zu leugnen oder kleinzureden, bringt Lesch in Rage. Der Ausstoß der schädlichen Klimagase ist seit 1990 um 41 Prozent gestiegen. Dreiviertel der noch vor kurzem vorhandenen Biomasse der Insekten ist verschwunden.
Lesch zeigte mit eindrucksvollen Projektionen die schon vorhandenen und die zu erwartenden globalen Veränderungen des Erdklimas. Das Eis schmilzt, so dass noch viel mehr Strahlung statt in den Weltraum reflektiert von den Meeren absorbiert wird. Der Meeresspiegel steigt ohnehin. Bereits bis 2060 könnte die Küstenlinie so hoch liegen, dass alle großen Städte und Landstriche dort verschwunden sein werden. Lesch führte einmal um den Globus. Sollte der Grönland-Eisschild brechen, würde ein 45 Meter hoher Tsunamie Europa fluten. Die Schwerkraft der Erde lässt nach.