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Hänsel und Gretel: Märchenoper verzaubert Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Sonntag, 07. Dezember 2014

Wie bringt man heute Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" auf die Bühne? Gastregisseurin Jean Renshaw und Ausstatter Christof Cremer locken das Publikum im Landestheater mit einer ebenso poetischen und lebendigen Version.
In den Fängen der Knusperhexe (Dirk Mestmacher): Kora Pavelic (....) als Hänsel und Anna Gütter als Gretel in der Neuinszenierung von Humperdincks Märchenoper am Landestheater Coburg.  Fotos: Andrea Kremper


Das personifizierte Böse trägt an diesem Abend Pink. Die Knusperhexe in Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" - sie ist in dieser Neuinszenierung am Landestheater Coburg eine Paraderolle für einen Sänger mit Travestietalent. Mit ihren hochhackigen Stiefeln, deren Pink jedem Fußballprofi mit schreiend buntem Schuhwerk die Show stehlen würden, und mit ihrem flotten Ritt auf dem Besenstiel hoch hinauf in den Bühnenhimmel ist sie das beherrschende Thema beim Pausengespräch am Premierenabend.


Wie bringt man heute ein Werk auf die Bühne, das jeder Opernfan kennt oder zu kennen meint? Gastregisseurin Jean Renshaw und Ausstatter Christof Cremer präsentieren dem Publikum eine Deutung, in der sich raffiniert in Szene gesetzte Theatereffekte und wunderbar poetische Momente scheinbar ganz selbstverständlich ergänzen.

Alles Märchenhafte dieser Geschichte vom Sandmännchen bis zum Hexenhäuschen ist da - und wirkt dennoch wie verwandelt, verwandelt durch Christof Cremers Bühnenbild und Kostüme, verwandelt aber auch durch Jean Renshaws Inszenierung, die dem Zauber des Stücks ebenso fantasievoll wie einfühlsam nachspürt.

Renshaws Regie legt den Kern des Märchens frei, erzählt die Geschichte der beiden Geschwister, die sich im nächtlichen Wald verirren und schließlich in die Fänge der Knusperhexe geraten, als eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Vor allem aber beweist sie Gespür für eine stets einfühlsame, detailgenaue Personenführung. Und dort, wo Kitsch drohen könnte, bricht sie diesen Kitsch durch zarte Ironie, die nie in Gefahr gerät, das Stück lächerlich zu machen.

Buntes Hexenhaus

Szenisch lebt der Abend von geradezu sprechenden Farbkontrasten. Eintönig grau ist die armselige Hütte, in der Hänsel und Gretel mit ihren Eltern leben, dem Besenbinder Peter und Gertrud, seinem Weib. Eintönig grau sind Tisch und Bänke, eintönig grau ist die Kleidung der beiden Geschwister. Zauberhaft bunt aber lockt das Hexenhaus mitten im stilisierten Wald, den Christof Cremer auf die Drehbühne hat bauen lassen.


Musikalisch bietet Humperdincks raffiniert gearbeitete Partitur manche Herausforderung. Denn die oftmals sehr eingängigen Melodien sind in ein dicht verwobenes Klanggewand gehüllt, das mit seinen üppig bedachten Mittelstimmen unverkennbar Einflüsse Richard Wagners zeigt. Die Sänger haben es bei Humperdinck nicht immer leicht, sich gegen das Orchester zu behaupten.

Kinderchor begeistert

Coburgs Erster Kapellmeisterin Anna-Sophie Brüning gelingt es in weiten Teilen, Gesangs- und Instrumentalstimmen in Balance zu halten. Das stets aufmerksam musizierende Orchester entfaltet unter Brünings sorgsam gestaltender Leitung den bemerkenswerten Farbenreichtum der Partitur mit feinen dynamischen Nuancen.
Gesanglich lässt die Coburger Neuinszenierung kaum Wünsche offen. In der Rolle der Mutter setzt Gabriela Künzler auf große Gesten, Jiri Rajnis als Vater beeindruckt mit warmer Bariton-Fülle. In den Titelrollen als Hänsel und Gretel ziehen Kora Pavelic und Anna Gütter das Premierenpublikum ebenso mit ihrer Spielfreude in Bann wie mit ihrem bestens harmonierenden Gesang.


Pointiert in Spiel und Gesang: Dirk Mestmacher als Knusperhexe, aber auch Emily Lorini als Sandmännchen und Luise Hecht als Taumännchen. Jean Renshaws Regie bereichert das Personal um den stummen Part des Hexengehilfen. In der Rolle dieser zweibeinigen Katze demonstriert Valentin Fruntke sein darstellerisches Talent.
Nicht zu vergessen: der Kinderchor des Landestheaters (Einstudierung: Daniela Pfaff-Lapins), der mit lebendigem Spiel und frischem Klang reichlich Applaus verdient.


Mit dieser Neuinszenierung von "Hänsel und Gretel", der ausdauernde Beifall beweist es, beschert sich das Landestheater selbst ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.


Sie bringen "Hänsel und Gretel" nach Coburg



Theater-Tipp "Hänsel und Gretel" - Märchenoper von Engelbert Humperdinck, 11., 12., 19., 23. Dezember, 19.30 Uhr, 25. Dezember, 18 Uhr, 3., 10., 14., 22. Januar, 19.30 Uhr, 25. Januar, 15 Uhr, 11. Februar, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg

Darsteller Peter, Besenbinder: Jiri Rajnis/Thomas de Vries
Gertrud, sein Weib: Gabriela Künzler
Hänsel: Kora Pavelic
Gretel: Ana Cvetkovic-Stojnic/Anna Gütter
Die Knusperhexe: Dirk Mestmacher
Sandmännchen: Emily Lorini
Taumännchen: Luise Hecht
Kinderchor des Landestheaters
Philharmonisches Orchester des Landestheater Coburg

Produktionsteam Musikalische Leitung: Anna-Sophie Brüning; Inszenierung: Jean Renshaw; Bühnenbild und Kostüme: Christof Cremer; Dramaturgie: Renate Liedke; Einstudierung Kinderchor: Daniela Pfaff-Lapins