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Grüner Daumen am Güterbahnhof gesucht


Autor: Christiane Lehmann

Coburg, Donnerstag, 14. Sept. 2017

Wer keinen eigenen Garten oder Balkon hat, der könnte am Güterbahnhof ein Hochbeet anlegen und pflegen. Unterstützung wird gebraucht.


Knackig der Rosenkohl, etwas klein die Aubergine, aromatisch der Staudensellerie, prachtvoll die Bohnen, kerzengerade der Schnittlauch, die Tomaten: grün, klein, rot, schwarz und faul. Von allem etwas. Ein kleines Stück Garten im Hochbeetformat. 30 solcher grüner Pflanzoasen stehen entlang des Parkplatzes am Güterbahnhof, weitere zwölf in einem abgegrenzten Gärtchen an der Itz.
Dort, wo früher die Coburger ihre Schrebergärten hatten, stehen jetzt Hinweisschilder mit Urban Gardening - ernten verboten! Ein Trend, der seit einigen Jahren die Städte erobert. Menschen, die keinen eigenen Garten oder Balkon haben, können sich ein Stück Wildnis erschließen und nutzen.
Urban Gardening war bereits bei den Designtagen auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs rund um die alte Pakethalle in Coburg eines der Schlüsselthemen. Sabrina Hafner vom Coburger Designforum Oberfranken leitete dort die Arbeitsgruppe. Vor ihrem Studium zur Integrierten Produktdesignerin hat sie eine Ausbildung zur Floristin absolviert.
Am Donnerstag stand sie mit einem Körbchen selbst geernteten Gemüses beim Pressetermin parat, um ein bisschen mehr von der Vision, die der Initiative am Güterbahnhof zugrunde liegt, zu verraten.
"Aktuelle Trends gehen weg von Massenware und Konsum. Eine selbst gepflanzte Tomate ist ein anderer Genuss als gekauftes Gemüse. Achtsamkeit steht bei vielen Menschen wieder im Fokus", weiß Hafner aus Erfahrung.
Um Menschen den Zugang zu Pflanzen inmitten einer Industriebrache zu ermöglichen, werden auch im kommenden Jahr für die Designtage über 42 Hochbeetkonstruktionen zur Verfügung stehen. Die praktischen Container werden auf der Mehrzweckfläche am Schlachthof aufgestellt. Dort können dann auf kleinsten Flächen verschiedenste Pflanzen kultiviert und über Monate umsorgt werden.
Gesucht werden Coburger Bürger, die in der Stadt leben und gerne ein Hochbeet bepflanzen und pflegen wollen. "Wer keinen eigenen Garten oder Balkon hat, der könnte hier seine grüne Seite ausleben und die Patenschaft für ein oder mehrere Hochbeete übernehmen", erklärt Michael Böhm vom Coburger Stadtmarketing.


Vergessenes Paradies?

Wie die Gestaltung der Beete aussieht, bleibt den jeweiligen Paten überlassen. Auch eigenes Obst, Gemüse oder Blumen können angepflanzt werden. Auf diese Weise werde eine Industrie-Brache wie der ehemalige Güterbahnhof zu einem lebenswerten Ort.
Wer jetzt einen Spaziergang am Güterbahnhof macht und Ausschau nach den Containern und Pflanzkübeln hält, die während der Designtage in hellem Licht leuchteten und erblühten, mag irritiert sein. Gehegt und gepflegt wirken die Pflanzen dort nicht mehr. Es wuchert und sprießt das Unkraut an allen Enden. Verfault oder vertrocknet hängen Tomaten und Erdbeeren an den Sträuchern. Vergessenes Paradies?
Keineswegs. Sabrina Hafner, Matthias Haagen und David Küffner widersprechen energisch. Die drei kümmerten sich in den vergangenen Monaten um die Hochbeete entlang der Straße. Mit dem Angebot, die Beete in der kommenden Saison an interessierte Bürger zu vergeben, gehe man den nächsten Schritt. Über den Zustand, in dem sich die Mini-Gärten im Moment befinden, bleibt die Meinung geteilt. Jeder, der sich entschließt, eine Patenschaft zu übernehmen, werde zwar gerne und jederzeit von Sabrina Hafner und Matthias Haagen beraten, könne grundsätzlich aber selbst entscheiden, was er anpflanzen möchte. In diesem Jahr wollte man zeigen, was alles möglich ist, was gut wächst und gedeiht. Deshalb auch: Ernten verboten!


Hobbygärtner machen Ferien

Die Beete in dem Garten entlang der Bahn sind bereits vermietet, sagt Sabrina Hafner. Darüber, dass es dort alles andere als idyllisch aussieht, ist auch sie nicht erfreut, kann es aber erklären. Die meisten Beete haben Studenten angelegt. Doch seit den Semesterferien ist da nicht mehr viel passiert. Die Hobbygärtner machen eben Ferien. Doch die Natur kennt kein Pardon.
Optimistisch, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht sieht Michael Böhm der Pflanzsaison entgegen: "Das ist ein hochaktuelles Thema, um die Lebensqualität in städtischen Gebieten zu steigern. Jeder kann sich bewerben. Ein grüner Daumen wäre schön, ist aber keine Pflicht. Die Leute sollten Zeit und eine große Portion Liebe für das Projekt mitbringen." Auch für einen Wasserzugang wird gesorgt. Die Patenschaft für die Hochbeete beginnt im Mai und endet im September.