Druckartikel: "Görndls" fliegende Zigarrenschachtel

"Görndls" fliegende Zigarrenschachtel


Autor: Christoph Böger

Neustadt bei Coburg, Montag, 18. Mai 2020

Wie der Neustadter Linksaußen Günter Schilling vor 61 Jahren den Neukenrother Kassierer im Strafraum schwindlig spielte.
959: Günter Schilling mit 19 Jahren bei seinem ersten Einsatz für den VfL Neustadt in der 2. Liga. Sein Debüt  gegen den SV Darmstadt 98 endete mit einem Heimsieg im VfL-Stadion an der Sonneberger Straße.privat


Wie man als Stürmer alle Unwägbarkeiten aus dem Weg räumt, bewies Günter Schilling schon vor 60 Jahren. "Görndl" war beim VfL Neustadt ein Edel-Techniker, wie er im Buche steht. Einer der besten Außenstürmer, der jemals für den Traditionsklub aus der Bayerischen Puppenstadt kickte. Der eigenwillige Dribbelkünstler schoss sehr viele Tore - eines sogar für die Ewigkeit!

Und zwar 1959 beim TSV Neukenroth. In der 2. Amateurliga Oberfranken West traten die Amateure des VfL beim Aufsteiger im Landkreis Kronach an. Eine klare Angelegenheit für die "Löwen": 6:1. Das fünfte VfL-Tor hat noch heute extrem hohen Unterhaltungswert:

Ein unnachahmliches Solo

Der schnelle Linksaußen Schilling startet über das halbe Spielfeld einen seiner unnachahmlichen Alleingänge, umkurvt mehrere Abwehrspieler, bis schließlich der "letzte Mann" vor ihm steht. Allerdings keiner im TSV-Trikot, sondern mit Sakko und einer Zigarrenschachtel unterm Arm!

Dieser übermotivierte Neukenrother Anhänger stellt sich plötzlich dem Angreifer in den Weg - für "Görndl" kein Problem. Der "Knipser" lässt auch den 12. Mann ins Leere laufen und vollstreckt eiskalt.

Im Tageblatt-Bericht von 1959 steht: "Der Anhänger des Klassenneulings war im Angesicht der Gefahr auf den Platz geeilt. Doch auch den Zuschauer spielte der überragende Schilling aus und lief mit dem Ball ins leere Tor".

80-Jähriger erinnert sich genau

Der im Januar 80 Jahre "jung" gewordene Neustadter erinnert sich noch genau an seine spektakuläre "Kiste": "Das Tor war der Hammer. Da hat damals jede Zeitung davon berichtet." Apropos "Kiste": "Es handelte sich ja auch nicht um irgendeinen Fan, sondern um den Neukenrother Platzkassierer. Der rannte mit seiner braunen Zigarrenschachtel - voll mit den Eintrittsgeldern - plötzlich in den Strafraum und griff mich an. Den Torwart hatte ich gerade umkurvt, dann machte ich meine letzte Körpertäuschung. Es war ziemlich klitschig, der Kerl rutschte aus und landete auf dem Hosenboden. Die Scheine und Münzen flogen nur so durch den Fünfmeterraum" - was für eine skurrile Sportplatz-Story.