Gernot Hassknecht wütet in Coburg
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Donnerstag, 12. März 2015
Der unflätige Nachrichtensprecher Gernot Hassknecht, eigentlich der Schauspieler Hans-Joachim Heist, führte im Kongresshaus ein in die Grundlagen des autoaggressiven Trainings. Das Coburger Publikum brüllte für den Anfang schon recht erschreckend.
Nörgeln, nölen, kritteln, von früh bis spät motzen, ausgiebig streithanseln, koste es, was es wolle. - Die Deutschen haben das mittlerweile zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Das genügt aber nicht mehr. Jeder Tag ohne cholerischen Anfall ist ein verlorener Tag. Sagt der Inbegriff der deutschen Korrektheit, Gernot Hassknecht, der Prototyp des nüchternen Nachrichtensprechers. Der mittlerweile allerdings so ausrastet, dass das Zweite Deutsche Fernsehen immer wieder abschalten muss.
Zumindest während des speziellen Gernot-Hassknecht-Trainings, das die Coburger absolvierten. Ein Teilnehmer brüllte tatsächlich nach dem Verlassen des Kongresshauses mal kurz und kräftig in die verschreckte Coburger Nachtluft. Was kein schlechtes Ergebnis dieses ersten autoaggressiven Übungsprogramms war, aber auch kein Vergleich zu dem Wutsturm, zu dem Hassknecht sein Publikum im gut gefüllten Saal vorher nur so mal probeweise gebracht hatte. Da erlebten wir richtig befreiend, was in uns steckt.
Blutdruckfördernde Ernährung
Zum echten deutschen Choleriker ist es allerdings ein weiter Weg. Hassknecht, tatsächlich der Schauspieler Hans-Joachim Heist, konnte am Mittwoch sein zwölf Kapitel umfassendes Übungsprogramm immerhin nachdrücklich erläutern, einschließlich ausführlicher Ernährungsberatung. Ohne effektive bluthochdruckfördernde Ernährung keine Chance auf erfolgreiche Cholerik.
Mehr oder weniger originelle Comedians, Spaßmacher, Kabarettisten gibt es mittlerweile ohne Ende. Hans-Joachim Heist in seiner Bühnenfigur Gernot Hassknecht, besinnt sich auf die Quellen und schlägt in zwei Richtungen los. Er kriecht - sehr gekonnt - in die Haut des braven, besserwisserischen, blockwartenden deutschen Moralbürgers mit dem angeblich gesunden Menschenverstande, der stets weiß, was die anderen falsch machen. Dem reicht es jetzt aber mal angesichts der unglaublichen Missstände in unserem Lande, in Politik wie unter den unerträglichen Alltagszumutungen. Ja da muss man doch unflätig werden.
Deftige Beschwerdebriefe
In heiliger Wut gegen alles und jeden zerfetzt Hassknecht die real existierende Politikerwelt, wobei er die Zusammenhänge manchmal plötzlich furchtbar ernst benennt: Zu Ursula von der Leyens familienfreundlicher Bundeswehr kann er nur brüllen: "Krieg ist nicht familienfreundlich".
Hassknecht schreibt unablässig Beschwerdebriefe, an seinen Bäcker, an seinen langjährigen Bankberater "von der Arschbank", an die USA. Er hat "hassbook" gegründet, ein asoziales Netzwerk, in dem man nur Feindschaftsanfragen stellen kann.
Den deutschen Wutbürger karikiert Hassknecht so nachdrücklich, dass wir uns nach diesem intensiven Training eigentlich nicht mehr ernst nehmen können in unserer gepflegten täglichen Miesepetrigkeit. Wenn wir uns nicht gar schämen.
Hatte ich erwähnt, dass Hassknecht seine Frau Renate leidenschaftlich hasst?
Hans-Joachim Heist, geboren 1949 in Seeheim-Jugenheim, studierte Schauspiel in Wiesbaden nach einer Installateur-Lehre in Darmstadt und einem abgebrochenen Studium zum Bauingenieur. Seither arbeitet er als Parodist, Komiker und Regisseur. Zu seinen Parodien zählen unter anderem Heinz Rühmann, Heinz Erhardt, Prof. Bernhard Grzimek, Hans Moser und Theo Lingen. Daneben wirkte Heist in mehr als 70 Film- und Fernsehproduktionen mit. Zu den bekannteren Rollen gehören die des Peter Däumel in der Fernsehserie "Diese Drombuschs" sowie die des Polizeimeisters Fritz Zatopek in SOKO Köln. Einem breiten Publikum wurde Heist durch die ZDF-Satiresendung "heute-show" bekannt, in der er Gernot Hassknecht, einen cholerisch schimpfenden und schreienden Fernsehnachrichten-Kommentator, spielt. Dort tritt er unter anderem in den Kategorien "Onkel Gernots Märchenstunde" und "Nepper, Schlepper, Volksverarscher" auf. Seit 2013 ist er mit seinem Bühnenprogramm "Das Hassknecht-Prinzip - in zwölf Schritten zum Choleriker" auf Tournee.