Gericht in Coburg verpasst syrischen Eltern einen Denkzettel
Autor: Katja Nauer
Coburg, Mittwoch, 08. Februar 2017
In Deutschland haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Ein syrisches Elternpaar züchtigte seine drei Kinder augenscheinlich auch körperlich.
Dass in Deutschland andere Regeln gelten als in Syrien, mussten jetzt ein 39-jähriger Familienvater und seine ein Jahr jüngere Ehefrau erfahren. Dem Ehepaar warf die Staatsanwaltschaft vor, im Frühjahr letzten Jahres in Unterkünften in Bayreuth und Coburg wiederholt ihre drei Kinder im Alter von 15, zwölf und fünf Jahren mit der Faust ins Gesicht und in den Nacken geschlagen zu haben. Einmal soll die Ehefrau, die die Stiefmutter der Kinder ist, den Jüngsten auch mit einem Damenschuh traktiert haben.
Geschlagen hätten sie ihren Nachwuchs nie, beteuerten die Eltern, und bezeichneten die körperlichen Übergriffe als "Klapse". "Wir waren gerade geflohen und neu in der Unterkunft", sagte die Stiefmutter. Sie sei müde und mit den Nerven "runter" gewesen. Sie habe ihren kleinen Stiefsohn wirklich nur auf den Po geschlagen. Die ganze Sache sei "aufgebauscht" worden.
Staatsanwältin Franziska Winkler sah das anders: "Kann es sein, dass Sie den Klaps etwas verharmlosen?", hakte sie nach.
Der Vater gab zu, dass bei ihnen zu Hause kulturell bedingt anders erzogen werde, betonte jedoch: "Wir sind nicht die Menschen, die ihre Kinder schlagen." Dass das körperliche Züchtigen von Kindern in Deutschland verboten sei, hätten beide nicht gewusst.Ein ehemaliger Mitbewohner belastete die Familie: Das erste Mal habe er in der Unterkunft in Bayreuth gesehen, wie die Stiefmutter dem kleinen Buben mehrmals mit der Faust auf den Kopf gehauen habe, sagte er. Er führte eine Bewegung aus, die die Staatsanwältin als "Kopfnuss" interpretierte. Auch der Vater habe geschlagen: seine Tochter und den größeren Sohn. Beide hätten geweint, erzählte er. Der große Junge soll mehrmals geäußert haben: "Ich nehme meine Schwester und hau ab", sagte der Zeuge aus.
Ein Sicherheitsmitarbeiter, der in der Coburger Unterkunft arbeitete, in der die Familie aufgenommen worden war, hatte die Polizei gerufen, weil es einen Übergriff gegeben haben soll, und die Eltern die Kinder augenscheinlich nicht mit Essen versorgt hatten. Das Jugendamt brachte diese daraufhin bei einer Pflegefamilie im Landkreis Coburg unter. Als Zeuge war der Mann nur bedingt brauchbar: Weil er als Mann keinen Zugang zum Frauenbad gehabt habe, in dem sich der Vorfall mit dem Damenschuh zugetragen haben soll, konnte er darüber nur vom Hörensagen berichten.
Zeuginnen nicht greifbar
Die Zeuginnen, die tatsächlich Angaben zu den Vorfällen hätten machen können, waren jedoch beide nicht greifbar. Weder die zuständige Sozialpädagogin noch die Pflegemutter konnten Konkretes zu den Vorfällen sagen. Der Kontakt des Vaters zu den Kindern sei stets sehr liebevoll gewesen, erklärte die Pflegemutter. Die Kinder hätten auch wieder zu ihren Eltern zurück gewollt, sagte sie. Sie habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass die Kinder unter der Situation gelitten hätten.Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. "Ich weise daraufhin, dass ich hier ein Auge zudrücke", betonte die Staatsanwältin. "In Deutschland haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung." Richterin Melanie Krapf bezeichnete den Ausgang als "Denkzettel" für die Eltern. "Ich heiße hier keinesfalls gut, was vorgefallen ist", erklärte sie. "In Deutschland schlagen wir keine Kinder. Wenn so etwas noch einmal vorkommt, werden Sie wieder hier sitzen und dafür bestraft."