Gericht hat zu wenig Beweise
Autor: Gabi Arnold
Coburg, Donnerstag, 13. Juni 2019
Im Messerstecher-Prozess um den Toten im Kalenderweg ist das Urteil gefallen. Ein 34-jähriger polnischer Staatsbürger wurde wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Vier Jahre und zehn Monate Haft - das ist die Strafe für einen 34-jährigen Polen, der einem Landsmann ein Messer ins Knie gerammt hat, woraufhin dieser gestorben ist.
Das Urteil ist deshalb so moderat ausgefallen, weil das Gericht den Tatbestand des Totschlags in Folge von unterlassener Hilfeleistung nicht beweisen konnte. "Wir wissen einfach zu wenig und es gilt, im Zweifel für den Angeklagten", sagte der Vorsitzende Richter Christoph Gillot.
So blieb am Ende des zähen Prozesses ein fader Nachgeschmack zurück. "Wir haben es mit einem Fall mit vielen Wendungen und einem unbefriedigten Ausgang zu tun ", räumte Gillot in seiner Urteilsbegründung ein. Letztendlich konnte die Kammer nach drei langen und mühevollen Verhandlungstagen das Tatgeschehen nicht vollständig rekonstruieren.
Der Angeklagte, der als Leiharbeiter in einem Unternehmen im Landkreis beschäftigt war, tischte in den Vernehmungen insgesamt vier unterschiedliche Versionen des Tatherganges auf. Da der Beschuldigte kein Deutsch spricht, standen dem Gericht zeitweise zwei Dolmetscher zur Verfügung. Anfangs ließ der Mann durch seinen Verteidigter Michael Linke eine Einlassung verlesen, ansonsten verfolgte er schweigend, meist mit gesenktem Kopf, blass und sichtlich mitgenommen die Verhandlung.
Am späteren Nachmittag des dritten Verhandlungstages wollte der Beschuldigte dann doch reinen Tisch machen und die Wahrheit erzählen. Anders, als die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Tatjana Winterholer, hielt die Kammer aber auch seine letzte Variante nicht für plausibel. "Es ist auffallend, dass der Angeklagte seine Aussagen den jeweiligen Sachverhalt anpasst," so Gillot. Beispielsweise gab der Beschuldigte zunächst an, dass er das Tatmesser hinter dem Rücken gehalten habe. Als Richter Gillot von Heimtücke sprach und sogar den Tatbestand "Mord" erwähnte, erzählte der Beschuldigte, er habe das Messer sichtbar vor sich getragen.
Die Tat hatte sich im Oktober des vergangenen Jahres in der Wohnung des Angeklagten ereignet. Das Opfer - ein ebenfalls 34-jähriger Pole - war demnach eine Zufallsbekanntschaft. Die Männer hatten gemeinsam gezecht, bis es wegen einer Lappalie zum Streit gekommen war. Es war dabei wohl um unterschiedliche Meinungen zu den Fans einer Krakauer Fußballmannschaft gegangen.
Infolge dieses Streites hatte der Angeklagte dem Opfer eine Stichverletzung in das Kniegelenk zugefügt und dabei die Knieschlagader getroffen. In der Wohnung des Angeklagten wurden immense Mengen an Blut gefunden.