Druckartikel: Geldstrafen für die Erzieherinnen

Geldstrafen für die Erzieherinnen


Autor: Katja Nauer

Coburg, Donnerstag, 06. April 2017

Das Amtsgericht hält es für erwiesen, dass die beiden ehemaligen Angestellten einer Kindertagesstätte im Raum Coburg mehrere Kinder misshandelten.
Die beiden jetzt verurteilten Frauen mit ihren Verteidigern  Foto: Katja Nauer


"Es ging hier nur darum, wer im Verhältnis Kind und Erzieher das Sagen hat", sagte Staatsanwältin Jana Huber in ihrem Plädoyer, "das ist ein Ausdruck von Macht." Huber bezog sich damit auf die Aussage einer Zeugin, die beobachtet hatte, wie die ehemalige Leiterin einer Kindertagesstätte im Raum Coburg einem Mädchen in ihrer Obhut so lange Obstsalat aufgezwungen hatte, bis sich das Kind erbrach. Bei weiteren Vorfällen, bei der die Angeklagte zwar nicht selbst ihre Hände im Spiel gehabt habe, sondern lediglich untätig zugesehen haben soll, habe sie die "Körperverletzungshandlungen" ihrer Mitarbeiterin gefördert, kritisierte Huber. Die Mitarbeiterin, eine 36-jährige Kinderpflegerin, die die Kinder an Armen und Haaren gezogen oder ihnen Schläge auf Hinterkopf oder Po verabreicht haben soll, saß seit dem 8. März zusammen mit ihrer ehemaligen Vorgesetzten auf der Anklagebank.

Bei der Kinderpflegerin habe schlichtweg die Kommunikation versagt, äußerte sich Huber. Die körperlichen Übergriffe auf die Kinder seien ein Ausdruck ihrer Überforderung gewesen. Zeugen sagten aus, dass die 36-Jährige sehr viele Aufgaben, auch teilweise jene ihrer Vorgesetzten, mit übernommen hatte.


Reißen, Stoßen und Stauchen

Im Verlauf der drei Verhandlungstage vor dem Amtsgericht Coburg kamen ehemalige Mitarbeiterinnen, Polizeibeamte und Eltern der betroffenen Kinder zu Wort. Die Mutter eines Jungen brachte Fotos mit, die den groben Umgang in der Gruppe belegen sollten. Bereits im Vorfeld hatten sich weitere Zeugen geäußert und teilweise die in der Anklageschrift gelisteten Übergriffe bestätigt. Zudem hatten sie geäußert, dass die Erziehungsmethoden in der Gruppe zumindest fragwürdig gewesen seien.

Von einem groben Umgang mit den Kindern, Reißen an Ärmchen, Stoßen und Stauchen, wurde gesprochen. Auch seien die Kinder beim Essen gezwungen worden, ihre Teller auf ihr kürzer oder länger umgebundenes Lätzchen zu stellen und somit ihre Mahlzeit in "unentspannter" und gebückter Haltung einzunehmen, so die Zeugen. Die Nebenklägerin äußerte sich zu den Schlägen: Die Kinder hätten ihre linke Hand neben den Teller legen müssen, sage sie. "Wenn nicht, wird drauf gehauen." Ihr Sohn habe mehreren Personen gegenüber wiederholt geäußert, dass die Kinderpflegerin ihn haue - auf den Kopf und die Finger -, sagte die Mutter aus. Auch in den Schlafraum sei er eingesperrt worden. Ihr Sohn könne seitdem nicht mehr allein in seinem Bett schlafen: "Er hat sich nachts in die Ecke verkrochen und gebrüllt."


Vorsätzliche Körperverletzung

Einige der befragten Eltern attestierten den beiden Angeklagten einen liebevollen und verantwortlichen Umgang mit den Kindern. Sie hätten nichts von den körperlichen Übergriffen bemerkt, gaben sie an. Von den 15 in der Anklageschrift gelisteten Fällen blieben am Ende der Beweisaufnahme noch sieben Anklagepunkte übrig. Acht wurden aufgrund der fehlenden Beweise von Richterin Melanie Krapf gestrichen.

Die Richterin folgte weitgehend dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Auch sie fand, ebenso wie Staatsanwältin Huber, keinen Hinweis auf ein "Komplott" oder eine "Verschwörung" der Mitarbeiterinnen, wie beide Angeklagte am ersten Verhandlungstag als Grund der Anklage vermuteten. Krapf verurteilte die Kinderpflegerin wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sechs Fällen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 25 Euro. Dem Antrag des Nebenklägervertreters, Volker Albrecht, der Kinderpflegerin ein zweijähriges Berufsverbot auszusprechen, folgte sie nicht.

Die ehemalige Kindergartenleiterin, die neun Jahre lang in dieser Position tätig war, wurde der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Beide Angeklagte tragen die Kosten des Verfahrens und der Nebenkläger. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.