Geldsorgen im Tierheim: Tiere sind schwer zu kalkulieren
Autor: Simone Bastian
Coburg, Dienstag, 17. März 2015
Mit 65 Cent Zuschuss pro Jahr und Einwohner liegt das Coburger Tierheim im Mittelfeld. Es kommt über die Runden - doch seine Aufgaben gehen weit über das Unterbringen von Fundtieren hinaus.
Zum Beispiel Wuschel: Die achtjährige Westhighlandterrier-Hündin kam ins Tierheim, weil ihr Frauchen gestorben war. Den Mitarbeitern fiel auf, dass die Hündin ungewöhnlich viel trank. Schnell zeigte sich, dass eine Operation nötig war. Nun ist Wuschel auf dem Weg der Besserung, läuft fröhlich mit Tierpflegerin Sabine Remter zum Agility-Feld, und wenn die Tierärzte es erlauben, darf Wuschel auch wieder ein einer Familie leben. Für Zuwendung ist sie jedenfalls sichtlich dankbar.
Dass sie den Tierschutzverein Coburg und Umgebung, der das Coburger Tierheim betreibt, einiges Geld gekostet hat, weiß Wuschel nicht. Aber es sind Bewohner wie Wuschel, die den Betrieb eines Tierheims so schwer kalkulierbar machen, sagt Sigrid Ott-Beterke, die Vorsitzende des Tierschutzvereins. Wie viele Katzen samt Jungen werden im Frühjahr gefunden und gebracht? Sie alle werden untersucht, entwurmt, kastriert, sie brauchen Futter. All das kostet Geld.
Geld, das viele Tierschutzvereine nicht mehr haben. Am Dienstag schlug Andreas Brucker vom Deutschen Tierschutzbund in Bayern Alarm: Jedes zweite Tierheim in Bayern stehe vor der Insolvenz. Rund 80 bayerische Tierheime haben sich dem Verband angeschlossen, auch das Coburger. Eine Insolvenz drohe hier derzeit nicht, sagt Sigrid Ott-Beterke. "Das nächste halbe Jahr ist gesichert. Wie es weitergeht, müssen wir abwarten."
Einen Teil ihrer Kosten decken die Tierheime über die Zuschüsse der Städte und Gemeinden. Die müssen nämlich für die Fundtiere aufkommen; wenn das ein örtlicher Tierschutzverein übernimmt, dann beteiligen sich die Gemeinden an den Kosten. Meist wird eine Pauschale pro Einwohner gezahlt. Zwischen fünf Cent und einem Euro bewege sich diese Pauschale in Bayern, sagt Andreas Brucker. Ein Euro ist laut Tierschutzbund gerade kostendeckend, wenn noch Rücklagen gebildet werden sollen, dann müssten es eigentlich 1,50 Euro sein.
In Stadt und Landkreis Coburg zahlen die Kommunen seit 2014 65 Cent pro Einwohner. Für die Stadt Coburg bedeutet das eine Summe von 26 700 Euro; insgesamt nimmt der Tierschutzverein 74 000 Euro an Zuschüssen ein.
Der Jahresetat liegt indes bei 256 000 Euro, sagt Sigrid Ott-Beterke. Ohne Mitgliedsbeiträge, Spenden und Aktionen, die Geld bringen, sei das nicht zu schaffen. Sechs Arbeitskräfte sind im Tierheim beschäftigt, sie erhalten den gesetzlichen Mindestlohn. "Die Arbeit ist anstrengend, psychisch belastend, und es muss auch sonn- und feiertags jemand da sein", erläutert Sigrid Ott-Beterke. "Wir würden gern mehr bezahlen, aber wir können nicht. Die ganze Tierliebe nützt nichts, wenn man nicht davon leben kann."
2012 schlug der Tierschutzverein Alarm, weil ihm die Insolvenz drohte. Damals erhielt er eine Pauschale von 40 Cent je Einwohner und Jahr. Nach langen Verhandlungen, in denen der Verein auch seine Kosten offenlegen musste, wurden 65 Cent gewährt. "Wir sind den Bürgermeistern und Gemeinderäten sehr dankbar", betont die Vereinsvorsitzende. Dank des höheren Zuschusses habe sich der Verein "ein bisschen erholen können, aber wir leben von der Hand in den Mund".
Der Verein nimmt Fundtiere auf, von denen ein großer Teil wieder abgeholt wird. Aber nicht jeder zeige Verständnis, wenn er für die Beherbergung seines entlaufenen Lieblings aufkommen müsse, sagt Ott-Beterke. Für andere Aktionen sucht der Tierschutzverein Paten - wer zum Beispiel die Sterilisation einer Katze finanziert, erhält eine Urkunde.
Aber es gibt eben solche Fälle wie Wuschel, die operiert werden musste, oder den 15 Jahre alten Chino, der schon lange im Tierheim lebt und vermutlich hier bleiben wird, weil kaum jemand einen so alten Hund nimmt. Auch Momo (17), der zwei Tage bei seinem verstorbenen Herrchen ausharrte, bis die Polizei ihn ins Tierheim brachte, wird wohl kein anderes Zuhause mehr finden.
Daneben werden Wildtiere aufgenommen, aufgepäppelt, wieder in Freiheit entlassen: Eichhörnchen, Füchse, Dachse, Marder - im Tierheim auf der Brandensteinsebene haben sie mit vielen Vierbeinern und Vögeln Erfahrung. Sogar Kaninchen leben hier. Und alle warten auf jemanden, der ihnen ein neues Zuhause bietet.