Gegen die Gärten des Grauens
Autor: Simone Bastian
Coburg, Donnerstag, 14. Oktober 2021
Kann, darf, soll die Stadt Vorgaben machen, wie Privateigentümer ihre Gärten gestalten sollen?
Zweierlei hatte Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) vor seiner Wahl im März 2020 versprochen: Er wolle sich für mehr Klimaschutz in der Stadt einsetzen, und er wolle mehr Bürgerbeteiligung. Beides mündete nun in eine Podiumsdiskussion im Kongresshaus am Mittwochabend. Das Thema: Der Entwurf für eine Freiflächengestaltungssatzung, also eine von der Stadt erlassene Vorschrift für die Gestaltung von Grundstücken.
Worum geht es?
Oberbürgermeister Dominik Sauerteig möchte, dass der Stadtrat eine Freiflächengestaltungssatzung (FGS) erlässt. Diese Satzung soll regeln, wie viel Grün bei Bauvorhaben einzuplanen ist: Bäume, Sträucher, Begrünung von Fassaden und Flachdächern. Bislang liegt ein Satzungsentwurf vor, entschieden ist noch nichts. Der Satzungsentwurf soll aber nicht nur vom Stadtrat diskutiert werden, sondern auch von den Bürgern und Interessengruppen. Deshalb fand am Mittwoch die Podiumsdiskussion im Kongresshaus statt.
Wer ist betroffen?
Die FGS würde regeln, was bei Neubauten zu beachten ist, wenn es für den Standort keinen entsprechenden Bebauungsplan gibt. Vorhandene Steingärten oder zugepflasterte Vorplätze haben Bestandsschutz. Niemand müsste das Pflaster vor seiner Garageneinfahrt herausreißen, versichert der OB. Aber wer auf seinem Grundstück bauliche Veränderungen plant (zum Beispiel den Bau eines Carports), müsste sich in Zukunft an die FGS halten, wenn sie erlassen wird.
Was soll das bringen?
Mehr Grün in der Stadt. "Grün ist sozial, gesund, wirtschaftlich und ökologisch", sagt Annette Pfundheller vom Münchner Büro Mahl-Gebhardt-Konzepte. "Freiflächen bestimmen, wie wir uns in der Stadt fühlen" - und das mache Lebensqualität und einen Standortvorteil aus. Für Oberbürgermeister Dominik Sauerteig geht es aber auch darum, die Stadt fit zu machen für die Folgen des Klimawandels: Wenn es in den Sommern immer heißer werde, brauche die Stadt noch mehr Grün, um öffentliche Bereiche zu kühlen und zu beschatten. Hinzu kommt, dass unversiegelte und begrünte Flächen bei Regenfällen Wasser speichern und zurückhalten können.
Was spricht dagegen?
Für Siegmar Schnabel, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Coburg, und Ulrich Eberhardt-Schramm, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins, vor allem eins: Eine solche Satzung greift in die Eigentumsrechte ein. Die Stadt erlässt Vorschriften, was ein Grundstückseigentümer tun soll und was er nicht darf. Schnabel und Eberhardt-Schramm plädierten dafür, dass die Stadt es zunächst mit "Förderungen und Anreizen" versuchen solle, zum Beispiel mit Beratung für die Grundstücksbesitzer oder Förderprogrammen, weil Dachbegrünungen auch nicht billig sind. Im Übrigen, so das Argument der Eigentümer-Vertreter: Viele machen ohnehin schon, was die Satzung verlangt. Steingärten würden eh wieder aus der Mode kommen. Schnabel warnt davor, dass Investitionsentscheidungen gegen die Stadt Coburg fallen könnten. Unternehmen könnten abwandern, wenn sie bei einer Erweiterung ihrer Fabrikgebäude oder Abstellflächen für Fahrzeuge auch noch Bäume pflanzen müssten. Außerdem sehe der FGS-Entwurf Bußgeldvorschriften vor, sagt Eberhardt-Schramm. "Wenn 500000 Euro Geldbuße drohen, führt das nicht zu einer Akzeptanz."
Was spricht dafür?
"Wenn es ohnehin gemacht wird, ist eine Satzung kein Problem", sagt Tanja Flemming vom Stadtplanungsamt der Stadt Regensburg. Dort gibt es bereits eine Freiflächengestaltungssatzung, die als Vorbild für den Coburger Entwurf diente. In Regensburg sei die Satzung für niemanden ein Problem gewesen, sagt sie. Abgesehen davon gibt es auch andere Beschränkungen für Grundstückseigentümer: Ein Bebauungsplan macht auch Vorschriften, welche Teile eines Grundstücks überbaut werden dürfen und welche nicht. Hinzu kommen die Vorschriften aus der Baunutzungsverordnung. Sie legt zum Beispiel fest, dass in Wohngebieten maximal 60 Prozent eines Grundstücks überbaut sein dürfen, wie der Coburger Architekt Thomas Marr in einem Beitrag auf coburg.de schrieb. Annette Pfundheller wies in der Podiumsdiskussion darauf hin, dass in Gewerbegebieten 20 Prozent des Grundstücks unbebaut bleiben müssen. Die Stadt würde hier sogar entgegenkommen, sagt Grünflächenamtsleiter Bernhard Ledermann: Dach- und Fassadenbegrünungen würden angerechnet, so dass sogar über 90 Prozent der Grundstücksfläche überbaut werden könnten - wenn die Freiflächengestaltungssatzung denn so kommt. Überdies sei es billiger, Flächen zu begrünen anstatt sie zu bebauen. Anreize gebe es seit 30 Jahren, aber nicht genug Wirkung, kritisiert Helena Lakemann, Sprecherin von Fridays for Future in Coburg. Nun müsse eine verbindliche Regelung her. Auch in anderen Städten habe eine FGS die Wirtschaft nicht abgewürgt, sagt Frank Reißenweber vom Landesbund für Vogelschutz. OB Dominik Sauerteig kann sich überdies ein städtisches Förderprogramm vorstellen, ähnlich wie das, mit dem die Sanierung von Wohnungen im Altstadtbereich gefördert wurde.
Wie geht es nun weiter?
Die Anregungen aus der Podiumsdiskussion, aus den Zuschriften und Posts an die Stadt sollen nun ausgewertet werden und in den Satzungsentwurf einfließen. Darüber wird dann der Stadtrat diskutieren - möglicherweise im November.