Druckartikel: Doulas begleiten werdende Mütter nicht nur bei der Geburt

Doulas begleiten werdende Mütter nicht nur bei der Geburt


Autor: Cindy Dötschel

Seßlach, Donnerstag, 29. April 2021

Ingrid Neitzke arbeitet als Doula. Sie betreut Frauen vor, während und nach der Geburt. Eine Hebamme ersetzt sie trotzdem nicht.
Vor der Geburt trifft sich Doula Ingrid Neitzke zweimal mit der Schwangeren. Bei den Treffen werden unter anderem die Übungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs vertieft.


Das Thema Geburt hat Ingrid Neitzke schon immer fasziniert. "Ich wollte eigentlich immer Hebamme werden", sagt die 34-Jährige. Trotzdem absolviert sie nach der Schule eine kaufmännische Lehre. Als sie anschließend eine Ausbildung zur Hebamme beginnen möchte, bekommt sie beim Losverfahren keinen Platz. Ein paar Jahre später holt sie das Thema wieder ein. "Mitten in der Nacht - ich war gerade mit unserer jüngsten Tochter im Mutterschutz - habe ich im Internet nach Möglichkeiten zur alternativen Geburtsbegleitung gesucht. Und bin auf ,Doula' gestoßen." Das war im November 2016. Umgehend bewirbt sie sich für einen Lehrgang in München, der bereits zwei Monate später beginnt.

Die Aufgaben einer Doula

Seitdem hat Neitzke als Doula rund 30 Schwangere vor, während und nach der Geburt begleitet. "Der Begriff ,Doula' kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt Dienerin der Frau", erklärt Neitzke ihre Berufsbezeichnung. Nach einem ersten Kennenlerngespräch besucht Neitzke die werdende Mutter zweimal in gewohnter Umgebung zu Hause. "Wir sprechen über die Ängste der Schwangeren und darüber, wie sie sich ihre Geburt vorstellt."

Auch der Partner wird bei den Treffen einbezogen. Weil Männer beim Vorbereitungskurs nur wenige Stunden dabei sind, fühlen sich diese während der Geburt oft überfordert. "Ich zeige ihnen, wie sie ihre Partnerin bei der Geburt unterstützen können, außerdem üben wir die Positionen aus dem Vorbereitungskurs noch einmal aktiv."

Zehn Tage vor und nach dem errechneten Geburtstermin steht Neitzke für die Schwangeren auf Abruf zur Verfügung. "Sobald die Wehen einsetzen oder die Frau Blasensprung hat, mache ich mich auf den Weg zu ihr. Ich bleibe so lange bei ihr, bis das Baby da ist und motiviere sie bestmöglich", sagt die Seßlacherin. Manchmal verbringt sie zwei Tage mit den werdenden Müttern, manchmal nur wenige Stunden. "Es ist gut, wenn jemand da ist, der die Situation bewerten kann. Gerade beim ersten Baby können die Frauen den Ablauf oft nicht einschätzen."

Als Doula unterstützt Neitzke während der Geburt nicht nur die Frau, sondern auch den werdenden Vater. "Durch eine Doula wird die Erwartungshaltung zwischen dem Paar entzerrt. Der Mann kann eine kurze Pause machen, ohne dass er das Gefühl hat, seine Frau alleine zu lassen", berichtet sie aus ihrem Arbeitsalltag. Wenn er im Kreißsaal nicht weiß, was er machen soll, zeigt Neitzke ihm, wie er seine Partnerin massieren und beim Atmen unterstützen kann.

Etwa zwei Wochen nach der Geburt besucht Neitzke die frisch gebackenen Eltern noch einmal zu Hause. "Wir sprechen noch einmal zu dritt über die Geburt und wie wir diese erlebt haben", sagt Neitzke, die selbst Mutter von drei Kindern ist. Durch die Corona-Pandemie ist es derzeit für Neitzke nur in Ausnahmefällen möglich, die Frauen ins Krankenhaus zu begleiten. "Während der Geburt halte ich meist mit den Männern telefonisch Kontakt und versuche so, das Paar zu unterstützen."

Keine medizinische Verantwortung

Generell hätten sich die Anfragen durch die Pandemie vervielfacht. "Weil die Kurse nur online stattfinden, fehlt den meisten Frauen etwas. Als Doula kann ich ihnen bei den Treffen alles zeigen und sie fühlen sich aufgehoben." Damit Neitzke ausreichend Zeit für jede Schwangere hat, begleitet sie pro Monat maximal zwei Geburten - so gibt es keine Überschneidungen bei der Rufbereitschaft. Dass sie sich immer auf eine Frau konzentrieren kann, ist es auch, was Neitzke an ihrer Nebentätigkeit besonders schätzt. "Ich kümmere mich um eine Frau und fiebere in den Wochen vor der Geburt richtig mit. Ich bekomme viel davon mit, wie die Frau sich fühlt und bin fest involviert."

Die Tätigkeit als Doula ist genau das, was Neitzke immer machen wollte. "Bei meinem Praktikum als Hebamme war ich mir unsicher, was die medizinische Verantwortung betrifft", sagt Neitzke. Ohne diese könne sie sich anders auf die Frau einlassen. Wenn es während der Geburt zu Komplikationen kommt, könne sie die Hebammen jederzeit dazu holen. "Die Hebammen sind sehr dankbar, wenn Doulas mit im Kreißsaal sind, weil sie oft mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen müssen."

Bedarf noch nicht gedeckt

Bereits während ihrer eineinhalbjährigen Weiterbildung zur Doula in München wurde Neitzke klar, wie groß der Bedarf an Doulas ist. Auch heute muss sie regelmäßig Frauen absagen. "In München gibt es ein großes Netzwerk. Weil immer nur eine Frau von einer Doula betreut wird, können Schwangere so leichter weitervermittelt werden", sagt sie. Hier in der Region gebe es nur wenige Doulas. Neitzke selbst steht im Austausch mit einer Doula aus Hildburghausen. "Wir wollen uns gegenseitig unterstützen, wenn eine von uns mal ausfällt."

Berufsbild und Ausbildung

Definition Eine Doula ist eine nichtmedizinische Begleiterin, die eine werdende Mutter vor, während und nach der Geburt emotional und körperlich unterstützt.

Weiterbildung Ingrid Neitzke hat eine eineinhalbjährige Weiterbildung bei der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung absolviert. Wer sich dort anmelden möchte, muss mindestens 30 Jahre alt sein und selbst ein Kind geboren haben. Während der Weiterbildung müssen die zukünftigen Doulas bei drei Geburten hospitieren, einen Geburtsvorbereitungskurs und einen Rückbildungs- oder Babymassagekurs belegen. Außerdem gibt es einmal pro Monat eine theoretische Unterrichtseinheit. Sämtliche Informationen finden Sie unter folgendem Link: www.gfg-bv.de.