Früherer Ebersdorfer Pfarrer fliegt aus dem Klerus
Autor: Rainer Lutz
Ebersdorf, Donnerstag, 30. Juli 2015
Papst Franziskus hat dem früheren Ebersdorfer Pfarrer Wolfdieter W. alle Rechte und Pflichten entzogen. Die Vorwürfe gegen den in Coburg verurteilten Geistlichen fanden kein Ende.
Es war wohl der größte Skandal, den die katholische Kirchengemeinde in Ebersdorf und Sonnefeld in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Mitten im Gottesdienst am zweiten Weihnachtsfeiertag 1998 tritt ein Familienvater vor den Altar und wirft dem Pfarrer vor versammelter Gemeinde vor, sein Kind sexuell missbraucht zu haben. Es folgt eine schier endlose Geschichte von Verurteilung, Versetzung und immer neuen Vorwürfen gegen den Geistlichen Wolfdieter W.. Eine Geschichte, unter die Papst Franziskus am Donnerstag einen Schlussstrich zog. Er hat dem Ruhestandspfarrer alle Rechte und Pflichten entzogen.
Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, hat der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann dem inzwischen 75-jährigen Wolfdieter W. die Entscheidung aus Rom am Donnerstag im Bischöflichen Ordinariat Würzburg mitgeteilt.
Finanzielle Folgen möglich
Der Schritt kann auch finanzielle Folgen haben. Auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks teilte das Ordinariat mit, dass der Bischof aktuell noch prüft, ob und wie der Mann in Zukunft versorgt wird. Es gebe auch eine "caritative Sorge" für ihn. Es sei allerdings noch unklar, ob er weiter in seiner kirchlichen Wohnung bleiben darf.
Im Jahr 2000 hat das Landgericht Coburg den Priester nach den Vorwürfen in der Gemeinde Ebersdorf wegen sexuellen Missbrauchs von drei Kindern in sieben Fällen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Nachdem der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe das Urteil 2001 bestätigt hat, wurde der Priester in den zwangsweisen Ruhestand versetzt. 2009 entpflichtete ihn Bischof Friedhelm Hofmann vom priesterlichen Dienst. Außerdem wurden die Ruhestandsbezüge des Priesters um 20 Prozent gekürzt.
Immer neue Vorwürfe
Anfang 2015 legte das Bistum Limburg eine Anzeige vor: In den vergangenen Jahren waren im Bistum Limburg neue Vorwürfe wegen sexueller Missbrauchshandlungen gegen den Priester bekannt geworden. Diese Anzeige führte schließlich zur Entscheidung des Papstes.
In jüngster Zeit meldeten sich nach Informationen des Bayerischen Rundfunks außerdem drei weitere Missbrauchsopfer aus der Zeit der ersten Pfarrstellen des Priesters bei Klaus Laubenthal, dem Missbrauchsbeauftragten des Bistums Würzburg. Bei zwei Missbrauchsopfern wurden bereits die Anträge auf finanzielle Leistung genehmigt.
Die Diözese Würzburg bedauert nach eigenem Bekunden das schwere Leid zutiefst, das den Opfern und deren Familien durch den Priester widerfahren sei. Sie verurteile das Verhalten des Priesters auf das Schärfste.
In Ebersdorf hatte der Geistliche den Jungen, dessen Vater schließlich an die Öffentlichkeit trat, hin und wieder im Auto mitgenommen als das Kind Ministrant war.
Anfangs nur Klaps eingeräumt
W. räumte damals vor Gericht ein, er habe dem Kind einen Klaps gegeben, weil es nicht aufhören wollte, an den Radioknöpfen im Wagen zu spielen. Von einem Griff in die Hose oder einem Betätscheln des Gesäßes könne keine Rede sein, so der Geistliche. Wörtlich sagte er: "Darauf kann ich jeden Eid leisten." Später im Verfahren machte er dann aber andere Angaben. Dennoch versuchte er, die Vorwürfe als Komplott gegen ihn darzustellen. Schon an früheren Dienststellen habe es ein "Kesseltreiben" gegen ihn gegeben, ohne, dass ihm je schuldhaftes Verhalten hätte nachgewiesen werden können.
Verurteilung in Coburg
Das Gericht in Coburg sah ihn aber in dem Ebersdorfer Fall für schuldig an und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. In der Verhandlung war der Mann nicht dazu zu bewegen, ein Geständnis abzulegen. Damit hätte er den Kindern die Vernehmung ersparen können. An ein Komplott gegen ihn glaubte Anton Lohneis, damals Oberstaatsanwalt, jedenfalls nicht.
W. wurde vorgeworfen, den damals Elfjährigen unter Druck gesetzt zu haben. In einer Videovernehmung gab der Bub unter anderem an, dass er Angst gehabt habe, nicht mehr ministrieren zu dürfen, wenn er mit jemandem über die Vorfälle spricht.
Bei der Verhandlung in Coburg war auch eine Zeugin aus Miltenberg geladen. Sie gab an, ebenso wie ihr Bruder von dem Pfarrer sexuell belästigt worden zu sein, als er 15 Jahre zuvor dort Pfarrer war. Auch dort kam es zur Anzeige. Das Verfahren in Miltenberg war dann aber gegen eine Zahlung von 8000 Mark eingestellt worden.
Auflagen des Gerichts
Mit der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verband das Gericht in Coburg unter Vorsitz von Richter Gerhard Amend Auflagen. W. musste 12 000 Mark an die drei betroffenen Kinder zahlen. Er hatte auf Pkw-Fahrten mit Kindern ohne Aufsicht zu verzichten und ebenso auf Tätigkeiten in Schulen und Kindergärten.
W. wurde nach Heidenfeld versetzt. Das Bistum sicherte zu, er werde nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Um dem gerecht werden zu können, mussten alle Klosterministranten in Heidenfeld gehen. Das widerum sorgte für erheblichen Missmut in der katholischen Gemeinde der Stadt. In Heidenfeld meldete das Würzburger Volksblatt damals (im Jahr 2000) eine Unterschriftenaktion und einen Beschwerdebrief, gegen die Zuversetzung des Geistlichen. W. wurde schließlich ins Diözesanarchiv versetzt. Die Revision, die er gegen das Coburger Urteil eingelegt hatte, blieb ohne Erfolg. 2001 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil der Coburger Richter.