Frauen im Ansitz im Coburger Forst
Autor: Simone Bastian
Lützelbuch, Samstag, 06. Dezember 2014
Frauen greifen immer häufiger zum Jagdgewehr. Trotzdem sind sie bei den meisten Jagdgesellschaften eine kleine Minderheit. Außer, der Staatsforstbetrieb bittet in den Lahmer Forst bei Oberfüllbach zur Dianenjagd. Dafür reist Bettina sogar aus dem Chiemgau an.
So eine Jagd will organisiert sein: Wer erhält welchen Hochsitz, welches Gebiet durchstreifen die Treiber? Albert Schrenker ist einer der drei Ansteller, die Jäger und Hundeführer an ihre Plätze im Jagdgebiet bringen. Das Besondere an dieser Jagd am Nikolaustag, nördlich von Oberfüllbach: Ausschließlich Jägerinnen nehmen die Ansitze ein; einige Männer sind als Hundeführer und Treiber dabei. Aber auch auf dem Boden sind die Frauen in der Mehrzahl. Voriges Jahr hat Albert Schrenker als Leiter des Staatsforstbetriebs erstmals eine solche Dianen-Jagd angesetzt, benannt nach der römischen Jagdgöttin Diana. Bernd Lauterbach, sein Mitarbeiter, darf sie nun in diesem Jahr planen und organisieren.
Lauterbach ist der Revierleiter von Hassenberg, zu dem der Lahmer Forst gehört und auch ein Teil des Coburger Forsts.
Die Hunde fiepen und hecheln schon aufgeregt, als Lauterbach erklärt, was geschossen werden darf: Rotwild, Damwild, Rehwild, Schwarzwild, Hasen - "bis auf Fuchs und Dachs haben wir freie Büchse". Dann werden die Zeiten festgelegt: Schießen ab 9.15 Uhr, bis 10.45 Uhr, dann wieder sammeln. Eine knappe Zeitvorgabe, wie sich gleich zeigt: Bis Albert Schrenker die letzte seiner Jägerinnen zu ihrem Ansitz gelotst hat, ist es schon 9.30 Uhr.
Am "Berliner Platz", mitten im Wald, holt Kerstin Stadler ihre Irish-Setter-Hündin Gundel aus dem Auto von Carsten Janz. Die beiden werden Albert Schrenk als Treiber begleiten. Gundel ist der Grund, warum sich Kerstin Stadler auf die Jagd begibt: Die Hündin entpuppte sich als leidenschaftliche Jägerin, und Kerstin Stadler, bestrebt, ihr Tier artgerecht zu halten, entschloss sich zur Jagdhundeausbildung. Nun ist sie selbst auf dem Weg zur "Jagdscheinanwärterin", sagt sie. "Irgendwann werd ich das mal."
Während Gundel, Kora und Xiao, die Hunde von Carsten Janz, frei laufen dürfen, bleibt Schrenkers Labradorhündin Ella erst mal an der Leine. Das Gebell von Xiao, der schon eine Fährte aufgenommen hat, scheint die untersetzte Hündin nicht zu stören. Selbst als Xiao, Kora und Gundel wenig später im Wald an ihr vorbeistürmen, einem Reh hinterher, bringt sie das kein bisschen aus der Ruhe. Sie weiß, dass sie nicht hetzen muss. Ihre Arbeit kommt, wenn notwendig, nach der Jagd: "Ich setze sie gern zur Nachsuche ein", sagt Schrenker, also zum Aufspüren von angeschossenem Wild. Ella taugt bestens für diese Aufgabe: Bei einer Jagdhundeprüfung erzielte sie zweimal die Höchstpunktzahl und damit die Goldmedaille. Doch wie sie so an der Leine neben Schrenker herschnürt, wirkt sie fast ein bisschen tapsig.
Doch eine Nachsuche wird nicht nötig sein. Viele Jägerinnen kommen gar nicht zum Schuss, so wie Friederike Hafermann aus Sonnefeld. Eine Sau kam in ihre Sicht - aber nicht bis ins Schussfeld. "Schade, es wäre eine schöne, starke Sau gewesen", sagt sie. Da treiben Carsten Janz Hunde ein weiteres Wildschwein aus dem Dickicht. In weitem Bogen rennt es um den Ansitz herum, die Hunde hinterher, doch Friederike Hafermanns Position ist zu ungünstig. Wenig später knallt es aus der Richtung des nächsten Ansitzes, aber auch dort hat die Jägerin keinen Erfolg. Die Wildsauen haben inzwischen gelernt, Nerven zu bewahren, wenn die Hunde ihr Versteck umkreisen, sagt Albert Schrenker.
Am Schluss sind zwei Rehe auf der Strecke geblieben. Sie gehören dem Staatsforst, der sich spendabel zeigt: Es gibt Weißwurst und Brezen für Jägerinnen und Treiber. Die erfolgreichen Schützinnen, Benedicta von Dungern und Julia Günther, erhalten die Brüche, kleine Tannenbüschel, als Anerkennung.
"Die Zeit war ein bisschen kurz", sagt Kirsten Schwarm kritisch. So sehen es auch andere: Viel Wild kam erst aus der Deckung, als die offizielle Zeit schon um war. So, als hätten die Rehe und Schweine Bernd Lauterbachs Einweisung belauscht. Kirsten Schwarm jagt mit Mann, Hunden und Kindern. Heute saß sie auf dem Ansitz, ihr Mann Oliver war mit der Tochter bei den Treibern.
Überhaupt ist Jagen bei den meisten eine Familienangelegenheit. Christa Schefczig ging schon mit ihrem Vater zur Jagd und brachte später auch ihren Mann Paul dazu. Der ist heute Vorsitzender der Kreisgruppe Coburg des Bayerischen Jagdverbands (BJV), Christa Schefczig die Kassenwartin. "Vor 20 Jahren war ich bei Jagden noch die einzige Frau", erzählt sie. Inzwischen hat die BJV-Gruppe schon rund 30 weibliche Mitglieder. Gegenüber rund 530 Männern aber noch eine geringe Quote. Aber sie steigt.
"Frauen machen als Jägerin einen guten Job und sind kritischer", sagt Christa Schefczig. Den guten Job machen die Frauen nicht nur im Wald, sondern auch danach, beim Verwerten des Wilds. "Ich mache alles selbst - ich bin aber auch ein Kopftochjäger", erläutert Schefczig mit einem Schmunzeln. "Mir ist das zarte Kitz lieber als der alte Bock", auch wenn der die größere Trophäe bringt.
"Die Jäger von heute, das sind nicht mehr diese vergreisten Fleischjäger", meint auch Bettina Langlechner, die für die Jagd aus dem Chiemgau angereist ist. Die Jäger von heute - "das sind junge Leute und gut ausgebildet". Aber warum dann eine reine Damenjagd? "Weil es ein Event ist. Hier können wir zeigen, was wir können, und uns austauschen", sagt Bettina Langlechner. Hier sind sie nicht die Frauen mit einem Exotenhobby, sondern unter ihresgleichen.
"Ein notwendiges Hobby", meint Kerstin Stadler: Wildunfälle, Wildverbiss, Flurschäden... Die Tiere finden, auch dank des Klimawandels, inzwischen beste Bedingungen vor. Wildschweine zum Beispiel vermehren sich das ganze Jahr und ernähren sich längst nicht mehr nur von dem, was sie im Wald finden. Es gibt Abschusspläne und Vorgaben, wie viel Wild sich in staatlichen Wäldern aufhalten darf. Ohne die Helfer mit Jagdschein könnten die Staatsförster wie Albert Schrenker und Bernd Lauterbach diese Vorgaben kaum erfüllen.
Worüber die Jägerinnen am Ende der Jagd reden? Über Jagderlebnisse und Hunde. Und sie sagen "Weidmannsheil" und "Weidmannsdank". Wie alle Jäger.