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Fränkischer Wahrheit auf der Spur: Als Bayern sich Nürnberg einverleibte


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 27. Dezember 2021

Wie sich der im Landkreis Coburg lebende Schauspieler Andreas Leopold Schadt für die TV-Produktion "1806 - die Nürnberg Saga" in den historisch bedeutsamen Kaufmann Paul Wolfgang Merkel verwandelt.
Paul Wolfgang Merkel (Andreas Leopold Schadt, Mitte) wird im zweiten Teil der Nürnberg Saga von österreichischen Soldaten in Geiselhaft genommen.Foto: BR Fernsehen


Franken und Bayern - das ist eine Verbindung, die im von München aus regierten Freistaat immer wieder Reibungspunkte bietet. Manches davon mag - von außen betrachtet - seltsam wirken. Welche historischen Gründe es dafür gibt, versucht der Dreiteiler "1806 - die Nürnberg Saga" im Bayerischen Fernsehen zu ergründen. Im Zentrum steht die ehedem freie und lange Zeit reiche Reichsstadt Nürnberg, die 1806 das Trauma erlebte, dem damaligen Königreich Bayern zugeschlagen worden zu sein. Mitten drin in dem ambitioniert in Szene gesetzten historischen Bilderbogen: der aus dem Franken-"Tatort" bekannte, seit vielen Jahren in der Region Coburg lebende Schauspieler Andreas Leopold Schadt. Er verkörpert die Figur des geschichtlich belegten Nürnberger Kaufmanns Paul Wolfgang Merkel.

Vom Franken-Tatort zur Nürnberg-Saga: Wie hat sich das Engagement in diesem Historien-Streifen ergeben? Welche Rolle spielte dabei der Umstand, dass Sie als gebürtiger Hofer ein Franke sind?

Andreas Leopold Schadt: Ich hatte im Winter 2020 mit Tassilo Forchheimer (Leiter von BR Franken), der das Projekt ins Leben gerufen hat, eigentlich über ein anderes Vorhaben sprechen wollen. Von ihm kam dann jedoch die Anfrage, ob ich Interesse hätte, an der Nürnberg Saga mitzuwirken. Meine fränkische Herkunft hat schon eine Rolle gespielt, weil es bei dieser Produktion das Ziel war, dass möglichst viele Franken mitwirken. Schließlich soll die Saga auch authentisch wirken, die Zuschauer aus Franken sollen die Chance haben, sich wiederzufinden. Bei den Dreharbeiten am Set haben wir uns immer wieder auch mit anderen Darstellern aus Franken ausgetauscht.

Die Figur des erfolgreichen Kaufmanns Paul Wolfgang Merkel, die Sie verkörpern, ist detailreich historisch belegt. Wie sehen Sie diese Figur? Wie nahe an der historischen Wirklichkeit bewegt sich die Rolle? Wie intensiv haben Sie sich mit den reichlich vorliegenden Dokumenten befasst?

Zuerst habe ich mir das historische Porträt von Paul Wolfgang Merkel angesehen und gedacht: "Wenn ich ein paar Jahre älter bin, könnte das von den Konturen her durchaus zu mir passen. In Zusammenarbeit mit Regisseur Oliver Halmburger haben wir uns herangetastet an diese Figur. Grundsätzlich habe ich Ehrfurcht vor dieser Rolle, da es diese Person ja wirklich gegeben hat. Zum Glück hat Paul Wolfgang Merkel über viele, viele Jahre täglich Tagebücher geführt, hat viele Briefe geschrieben. Ich habe Tagebuch-Einträge gelesen und versucht, herauszuhören: "Wie war er denn so?" Dass meine erste Szene bei den Dreharbeiten eine späte Szene mit Merkel war, seine Audienz beim König von Bayern am Anfang des dritten Teils, war schon eine Herausforderung - ein Drahtseilakt. Ich hoffe, dass die Menschen, die das im Fernsehen sehen, die Situation von Merkel als erstem Landtagsabgeordneten für Nürnberg gut nachvollziehen können.

Wie sehen Sie die Figur des Paul Wolfgang Merkel?

Merkel hatte einen gewissen Optimismus, egal, wer in seinem Umkreis Zweifel hatte. Er hat immer wieder versucht, das Gute herauszuholen, letztlich hat er das erreicht, was er erreichen wollte - für sich und für Nürnberg.

In Coburg haben Sie in diesem Jahr bei den Sommerfestspielen des Landestheaters im Hofgarten in "Die drei Musketiere" als Kardinal Richelieu und als Polizist mitgespielt. Was reizt Sie an Historien-Rollen?

Ich komme ja grundsätzlich vom Theater her, spiele immer wieder gerne Theater, spiele auch gerne historische Sachen - Rollen aus Klassikern von Schiller, Goethe, Shakespare und Kleist, auch wenn das sicher nicht das ist womit man mich als Schauspieler zuerst verbindet.

Der Dreiteiler nennt sich "Nürnberg Saga", ist vom Genre her ein Zwitter zwischen Historienfilm und geschichtlicher Dokumentation. Viele Dialoge wirken wie Stichwortsammlungen, um bestimmte historische Ereignisse dann ins Bild zu rücken. Was bedeutet das für die Darsteller?

Dadurch, dass wir uns so viel damit beschäftigt haben auch jenseits der Dreh-Szenen - ist man immer wieder eingetaucht in die damalige Zeit. Ich habe einfach das Gefühl gehabt: so lange ich in dem Kostüm war, bin ich in der Rolle, ich weiß, wo ich einsteige.

Wann haben Sie gedreht und was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Im Wesentlichen von Mitte August bis Ende August. Im September gab es dann noch einen Drehblock für den dritten Teil, in dem meine Figur aber nur noch ganz am Anfang vorkommt. In Erinnerung geblieben ist die gute Stimmung im gesamten Team und nicht zuletzt die große Sorgfalt, die auf Maske und Kostüme verwendet wurde. Um den Alterungsprozess der Figur Paul Wolfgang Merkel authentisch darzustellen, habe ich schon mal locker zwei Stunden in der Maske zugebracht. Dafür musste ich jeden Tag gründlich rasiert werden. Meine kleine Tochter war nach der ersten Drehwoche total verwirrt, als ich vom Dreh rasiert zurückkam - so kannte sie mich gar nicht.

Welche Hoffnungen verbinden Sie "1806"?

Vielleicht wirkt das wie eine Psychotherapie für uns Franken, vielleicht hilft es uns zu verstehen, warum wir uns als Franken manchmal verstecken. Und vielleicht hilft es ja auch, das Thema Franken verstärkt einzubinden in das Programm des Bayerischen Rundfunks - auch bei verschiedenen Serien.

Seit 2019 waren Sie als "Stressflüsterer" auch eine Werbefigur. Hängt Ihnen das als Schauspieler nach?

Anfangs fand ich es ein bisschen schade, dass es bei der Kampagne für mich in diesem Jahr nicht weiterging. Aber vielleicht ist es auch ein Segen - letztlich könnte es auch eine Gefahr werden, wenn man als Schauspieler zu lange dabei bleibt und am Ende nur noch mit dieser Figur in Verbindung gebracht wird.

Rund um "1806 - die Nürnberg Saga"

Andreas Leopold Schadt, 1978 in Hof geboren, absolvierte seine Schauspielausbildung in München (2000 bis 2003), arbeitete als Theaterschauspieler in Braunschweig, Bruchsal, Schwetzingen und Basel und wirkte in diversen Filmen mit. Im Franken-Tatort verkörpert er seit 2015 Kommissar Sebastian Fleischer. Seit 2019 war er als "Stressflüsterer" auch als Werbefigur präsent.

Die historische Figur Paul Wolfgang Merkel (gespielt von Andreas

Leopold Schadt) ist Kaufmann. Merkel, 1756 geboren, hat sein eigenes Wohlergehen, aber stets auch Nürnberg im Sinn. Er ist politisch interessiert, er vermittelt, sucht Kompromisse, weiß sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Zum Ende seines Lebens wird er gegen seinen Willen erster Nürnberger Landtagsabgeordneter.

TV-Tipp "1806 - Die Nürnberg Saga", Mittwoch, 29. Dezember, 20.15 Uhr, 21 Uhr, 22 Uhr, BR Fernsehen; Regie: Oliver Halmburger