"Flüchtlingspolitik: Wir tun etwas"
Autor: Nelly Ritz
Coburg, Dienstag, 20. Sept. 2016
Die Firma Kaeser setzt auf Internationalität: 21 junge Menschen mit Flüchtlingshintergrund sowie zwölf aus dem europäischen Ausland werden dort ausgebildet.
In der Lehrwerkstatt der Firma Kaeser Kompressoren herrscht ein buntes Treiben: Es riecht nach Metall, Schleif- und Feilgeräusche ertönen im Hintergrund, und die vielen Auszubildenden prüfen und besprechen ihr Ergebnis aufs Genaueste. Es ist die Abteilung des Lehrgangs für Maschinen- und Anlagenführer. Unter den regionalen Lehrlingen befinden sich in dieser Abteilung auch 14 Geflüchtete, die am 1. September hier im Rahmen des Programms "Integration durch Ausbildung", zu dem es keine staatlichen Zuschüsse gibt, ihre Lehre begonnen haben.
Insgesamt stellte Kaeser damals 21 junge Menschen mit Flüchtlingshintergrund und zwölf junge Europäer ein, die in Deutschland auf eine bessere Ausbildung und eine sichere Zukunft hoffen, so zum Beispiel auch der 24-jährige Hassan Saddiki aus Madrid.
Die Auswahl aus den 70 Bewerbern, die alle ein Praktikum im Betrieb absolviert hatten, fiel nicht leicht. "Geeignete Kandidaten zu finden, ist eine Herausforderung", bestätigt Pressesprecherin Daniela Koehler. Viele Bewerber könnten keine Kompetenzen und Qualifikationen nachweisen, oftmals fehlten Zeugnisse, erklärt Ausbildungsleiter Rüdiger Hopf.
Testphase "Praktikum"
Mit dem vier- bis achtwöchigen Praktikum, zu dem die Bewerber dann eingeladen wurden, konnte man daher gut beurteilen, ob auch handwerkliche Kompetenzen vorhanden waren. "Sehr viele Bewerber waren handwerklich geeignet, doch oftmals scheiterte es an den geringen Deutschkenntnissen", gibt Rüdiger Hopf dennoch zu.
Man müsse die Geflüchteten erst ankommen lassen, jedoch ermutige man sie dazu, sich später noch einmal zu bewerben."Es war bemerkenswert, dass unter den 70 Praktikanten kein ,Totalausfall‘ dabei gewesen ist", sagt Marco Scheler, der die Initiative "Integration durch Ausbildung" von Anfang an mit unterstützt hat. Als Ausbilder achtet er darauf, dass die Lehre praxisorientiert und verständlich aufbereitet wird, sodass man auch mit nicht perfektem Deutsch Erfolge erzielen kann. "Man muss bedenken, dass die meisten Geflüchteten neben ihrem Dialekt und der offiziellen Landessprache mit Deutsch oft schon ihre vierte oder fünfte Sprache sprechen", erinnert der Ausbilder.
Kennenlernprogramm für Azubis
Wassim und Jehad Osso, die beide im September 2014 von Syrien nach Deutschland kamen, sprechen dennoch - wie die meisten anderen auch - hervorragend Deutsch.
"Die Ausbilder, aber auch die anderen Auszubildenden geben sich größte Mühe, dass wir alles gut verstehen", erläutert Jehad. Auf dem Weg durch das Ausbildungszentrum begrüßt er die anderen Lehrlinge freudig. Alle seien gute Freunde geworden. Dazu trug insbesondere auch das Azubi-Camp zu Beginn der Ausbildung bei. "Ehrlich gesagt, sahen am Anfang alle der Geflüchteten für mich gleich aus", erinnert sich Marie-Louis Fischer lachend, die schon im dritten Lehrjahr den Beruf der Zerspanungsmechanikerin lernt. "Im Camp wurden wir zu einem richtigen Team und arbeiteten toll zusammen. Man lernte sich und die Charaktere der anderen dadurch besser kennen."
"Echte Integration schaffen"
Mit einer Deutschlehrerin, Azubi-Paten und "Power-Seminaren" bemüht sich Kaeser, den Lehrlingen unter die Arme zu greifen.
Außerdem wurde in die Ausbildungszentren, aber auch in ein Kaeser-Wohnheim für die ausländischen Mitarbeiter investiert. "Wir wollen echte Integration schaffen, nicht nur im Betrieb. Die jungen Männer und Frauen sollen sich auch in der Region und im sozialen Umfeld willkommen fühlen und einbringen", versichert Rüdiger Hopf. Man wolle die Flüchtlingspolitik leben: "Wir tun etwas", resümiert er.
Das Ganze sei natürlich ein hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand, auch existiere immer das Risiko eines Ausbildungsabbruchs oder einer Abschiebung der Geflüchteten während der Lehre. Doch die meisten Auszubildenden seien sehr motiviert, engagiert und dankbar für die Chance.
Sehnsucht nach der Heimat
Rolf Eberwein, Leiter des Personalwesens, führt an: "Der Gedanke der Internationalität hat eine lange Tradition bei Kaeser." Zwar wird zu 99 Prozent in
Deutschland produziert, aber vielen internationalen Mitarbeitern stehe nach der Ausbildung die Möglichkeit offen, in ihr Heimatland zurückzukehren.Denn die ausländischen Azubis vermissen natürlich oftmals ihre Heimat und Familien, so auch Hassan Saddaki. "Am meisten fehlt mir Mamas gutes Essen", gesteht er lachend. Und auch wenn Kaeser viel tut, damit sich die Lehrlinge hier in Coburg gut integrieren und wohl fühlen: Mamas heimische Kochkünste kann wohl selbst die Kaeser-Kantine nicht ersetzen.