"Flüchtlinge? Nein, es sind Gäste"
Autor: Rainer Lutz
Neustadt bei Coburg, Donnerstag, 19. Februar 2015
Die ersten Kontakte mit den Menschen aus dem Kosovo sind sehr positiv. Während die Frankenhalle bereits ein Not-Quartier ist, spricht der Landrat schon über die nächste Stufe. Das wären Container auf dem Gelände des Landratsamts.
Fast überstürzt musste der Landkreis in dieser Woche den Notfallplan zur Aufnahme von Asylsuchenden in Kraft setzen. Dass die Verwaltung davon einigermaßen überrascht wurde, erklärte Landrat Michael Busch (SDP) am Donnerstag in der Neustadter Frankenhalle, in der inzwischen die ersten 48 Flüchtlinge aus dem Kosovo untergebracht sind. "Wir sind unter den ersten vier Landkreisen in Bayern, die im Rahmen des Notfallplans Flüchtlinge aufnehmen müssen", sagte Busch.
Gleichzeitig ist der Landkreis Coburg der mit dem größten zugeteilten Kontingent. 220 Personen sollen maximal in Neustadt und in der alten Schule in Niederfüllbach untergebracht werden. Davon bis zu 170 in Neustadt.
Landrat Busch weiß, dass die Flüchtlinge kaum hoffen dürfen, in Deutschland zu bleiben. Busch suchte das Gespräch mit den ersten Asylbewerbern. "Manche haben ihr letztes Hab und Gut im Kosovo verkauft, um die Schleuser zu bezahlen", schildert er. Die versprechen ihnen, sie dürften in Deutschland bleiben und arbeiten.
Im persönlichen Kontakt zeichne sich ein anderes Bild von den Menschen als "von oben herab", so Busch. In der Heimat hätten viele in unbeheizten heruntergekommenen Wohnungen gelebt und nicht mehr gewusst, wie sie ihre Familie ernähren sollen. Für sie bedeutet die Halle in Neustadt, so karg sie eingerichtet ist, ein warmes Dach über dem Kopf und genug zu essen - zumindest für die Wochen, die sie hier bleiben dürfen.
In absoluten Einzelfällen kann die Frist um einige Wochen verlängert werden. Doch zurückgeschickt werden wohl alle, so Busch.
Diskussion über BGS-Kasernen
Sollte aber über eine Zeit von vier bis sechs Wochen hinaus eine weitere Unterkunft benötigt werden, dann greift Stufe II des Notfallplans. Die Flüchtlinge müssen dann in Containern untergebracht werden. Sollte es so weit kommen, werden diese Container angemietet und auf dem Parkplatz des Landratsamtes aufgestellt, so Busch.
In der dritten Stufe des Notfallplans wären feste Unterkünfte erforderlich. Zu diesem Punkt weist Busch die Kritik zurück, er habe sich nicht darum bemüht, die ehemaligen BGS-Kasernen in Coburg und Dörfles-Esbach als Sammelunterkunft zu bekommen. "Es ist sehr schwierig, mit den Immobilienagenturen des Bundes und des Freistaats in dieser Sache zu verhandeln", betonte Busch.
Die ehemaligen Hundertschaftsgebäude müssten mit hohem Investitionsaufwand hergerichtet werden. Weder der Landkreis noch die Kommunen, auf deren Gebiet sie liegen, könnten darüber verfügen. "Ich kann die auch nicht einfach beschlagnahmen", so Busch. Bis die Stufe III zum Tragen käme würden aber in jedem Fall noch mehrere Monate vergehen. So kann auch noch nach anderen Möglichkeiten gesucht werden. Wohnraum für Asylbewerber, die außerhalb des Notfallplans ankommen, sucht der Landkreis übrigens ungemindert. "Die zwölf Personen, die uns auf diesem Weg pro Woche zugeteilt werden, kommen weiterhin an", sagte der Landrat. Auch unbegleitete Minderjährige muss der Landkreis aufnehmen. Bis zu 20 können es werden, die dann in besonderen Einrichtungen untergebracht werden müssen.
Harald Hofmann, der Hausmeister der Frankenhalle, schildert die ersten Erfahrungen als sehr positiv. Er spricht nicht von Flüchtlingen oder Asylbewerbern, sondern von Gästen. "Egal was wir machen, es ist sofort jemand da und fragt, ob er helfen kann. Frauen bitten um Putzzeug, um die Halle sauber halten zu können. Es sind gute Leute, die da zu uns gekommen sind."
Auch Zweite Bürgermeisterin Elke Protzmann (CSU) heißt sie willkommen in Neustadt. Ganz überwiegend erfahre sie Hilfsbereitschaft der Neustadter. Nur einige wenige betrieben "teilweise üble Hetze" - vor allem im Internet. Michael Busch hat nach seinen Worten den Urheber eines besonders verhetzenden Facebookeintrags angezeigt.
Dass die Halle von einem Sicherheitsdienst bewacht wird, ist eine Auflage, die von der Regierung für Unterkünfte mit so großer Belegung gemacht wird. "Das dient vor allem der Sicherheit der Leute, die hier untergebracht werden. Man hat ja nicht nur Freunde", sagt Manfred Lorenz, der beim Coburger Landratsamt für die Koordination der Unterbringung im Notfallplan zuständig ist.