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Flüchtlinge in Coburg: Wenn die neue Heimat völlig fremd ist


Autor: Helke Renner

Coburg, Freitag, 13. Februar 2015

Sechs Flüchtlinge kommen im Durchschnitt wöchentlich nach Coburg - zum größten Teil aus Syrien, aber auch aus der Ukraine, Aserbaidschan und inzwischen aus dem Kosovo. Zu ihren ersten Helfern gehören der Übersetzer Rasol Herish und Waldemar Mai vom Sozialamt.
Rasol Herish (links) übersetzt, was Waldemar Mai (Mitte) dem syrischen Flüchtling gerade über die Funktionsweise der Stromsparleuchte im Bad erzählt hat. Foto: Helke Renner


Es ist Freitagmittag. Waldemar Mai und Rasol Herish fahren mit einem Flüchtling aus Syrien zu einer Wohnung, in die dieser am Wochenende mit seiner Familie ziehen wird. Seit dem 2. Februar sind er, seine Frau und drei Söhne in der Neustadter Straße in einem Zimmer untergebracht. Eine schwierige und beengte Situation. Nun wurde für sie eine Wohnung mit Kinderzimmer gefunden. Waldemar Mai muss dem Mann erklären, wie Heizung, Waschmaschine und Küchenherd funktionieren. Rasol Herish ist dabei und übersetzt. Die beiden sind so etwas wie die Schutzengel der Flüchtlinge, die nach Coburg kommen - der eine ehrenamtlich, der andere beruflich. Eines haben sie aber gemeinsam: Sie schauen nicht auf die Uhr, wenn es darum geht, den Menschen zu helfen, die ihre Heimat verlassen mussten, weil dort ihr Leben bedroht war. Die nichts mehr haben, als das, was in ihre Koffer passt, die wenig oder gar nichts wissen über das Land, in dem sie um Asyl bitten.

Wer von ihnen nach Coburg kommt, ist vergleichsweise gut dran, findet der Leiter des Sozialamts, Peter Schubert. "Wir können auf einen Pool von ehrenamtlichen Helfern zurückgreifen", sagt er. Im kirchlichen Bereich sind es rund 40, bei der Kontaktstelle Ehrenamt der Stadt 62, die sich um die Asylbewerber kümmern. "Die Hilfsbereitschaft in der Stadt ist aber auch ansonsten überwältigend", ergänzt er. Andernfalls wäre es nicht zu schaffen, wöchentlich zwei Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Immer wieder bekomme er spontane Hilfsangebote von Coburgern, ergänzt Peter Schubert.

Das erlebt auch Rasol Herish. Der Übersetzer ist oft der erste Ansprechpartner für arabisch und kurdisch sprechende Flüchtlinge und wird fast täglich gebraucht. "Dafür habe ich viel von meinem Privatleben aufgegeben."
Der irakische Kurde lebt, mit Unterbrechungen, seit Ende der 1990er Jahre in Deutschland, seit 2003 durchgängig in Coburg. Er ist von Beruf Grundschullehrer, arbeitet in Teilzeit am Klinikum und kann den Flüchtlingen nur in seiner Freizeit zur Seite stehen. Doch das tut er täglich. "Es geht nicht nur ums Übersetzen bei Behördengängen", erläutert er. Rasol Herish macht die Neuankömmlinge mit den Gegebenheiten der Stadt vertraut, zeigt ihnen die Einkaufsmöglichkeiten, begleitet sie zum Arzt. Er ist und bleibt ihr Ansprechpartner bei allen Problemen, die in der neuen, fremden Heimat auftreten.

Das weiß Sabine Doerenkamp-Steiner von der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen zu schätzen. "Wenn ich Unterstützung brauche, rufe ich ihn an und kann mich hundertprozentig auf ihn verlassen", erzählt sie.
Waldemar Mai kommt ursprünglich aus Russland, hat aber auch etliche Jahre in der Ukraine gelebt und 1998 in Coburg ein neues Zuhause gefunden. Als Mitarbeiter des Sozialamts kümmert er sich darum, dass die Flüchtlinge in ihren neuen Wohnungen eine Grundausstattung, also Möbel, Geschirr, Besteck, Bettwäsche, Handtücher, vorfinden. Dafür ist er viel unterwegs, schaut sich an, wo er all das preiswert oder im Angebot bekommen kann. Werden die Möbel angeliefert, dann montiert er sie. "Dabei helfen mir oft andere Flüchtlinge", sagt er.


Weitere Wohnungen gesucht

Sozialamtsleiter Peter Schubert bezeichnet Waldemar Mai als "Mädchen für alles". Denn er bringe die Flüchtlinge zu ihren Wohnungen, führe kleinere Reparaturen aus, verwalte die Schlüssel und bleibe ein Ansprechpartner. "Das ist eine logistische Meisterleistung." Trotz allem: In jeder Woche zwei Wohnungen zu finden, sei eine H erausforderung. Denn auch Coburg müsse das durch die Regierung von Oberfranken festgelegte Kontingent an Flüchtlingen aufnehmen. "Das wird uns wöchentlich neu mitgeteilt", erläutert Peter Schubert. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialamts bedeute das, flexibel zu reagieren und Überstunden zu leisten. "Aber alle sind hochmotiviert und wollen helfen", betont der Amtsleiter und verweist darauf, dass weiterhin Wohnungen, auch von privaten Vermietern, benötigt werden. Vor allem die syrischen Flüchtlinge würden relativ schnell als solche anerkannt und benötigten dann erst recht Wohnraum. "Die Vermieter sind dabei auf der sicheren Seite, denn das Jobcenter übernimmt die Kosten", sagt Peter Schubert.