Florian Sitzmann: 100 Prozent Leidenschaft fürs Leben
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Mittwoch, 06. März 2013
Der "halbe Mann" Florian Sitzmann hat ein neues Buch geschrieben. Er nutzt jede Gelegenheit, Vorbild für andere zu sein und ihnen mit seiner positiven Art Kraft zu geben. Im Gespräch mit dem Tageblatt wird deutlich, wie wichtig das Thema Inklusion für ihn ist.
Florian Sitzmann zieht die Menschen in seinen Bann. Er fasziniert. Und er weiß das. Ein Lachen, ein Augenzwinkern, eine gewisse Direktheit und kluger Humor machen ihn zu dem, was er ist: ein Mann, der mit 15 Jahren bei einem Motorradunfall beide Beine verloren hat und darin eine zweite Chance sieht. Ein Mann, der andere mit seiner Euphorie fürs Leben ansteckt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der andere behindert ist oder nicht. Für "den Sitzmann" spielt es selbst nämlich auch keine.
Nach Coburg kommt er seit vielen Jahren immer wieder. Sein Vater war bis 2011 hier Professor an der Hochschule. Max Beiersdorf ist einer seiner ganz engen Freunde. Die Lesung seines ersten Buches "Der halbe Mann" füllte das Haus Contakt. Mit seinem zweiten "Bloß keine halben Sachen" kommt er am 12. April.
Mit Sabine Heisig aus dem Vorstand hat Florian Sitzmann eine Frau kennengelernt, die ihm in seinem Enthusiasmus und in seiner Leidenschaft für die Belange der Behinderten sehr ähnlich ist. Und ein großes Thema verbindet beide sozusagen als Herzensangelegenheit: Die Inklusion.
Es kann jeden treffen
"Wenn Inklusion von Menschen ohne Behinderung für Menschen mit Behinderung gemacht wird, läuft schon etwas schief", sagt Sabine Heisig. Die Gesellschaft , wie sie sich derzeit gibt, sei schon die erste Barriere. "Hallo aufwachen! Inklusion geht alle an !" möchte sie hinausschreien. "Ein Schlaganfall kann von heute auf morgen das Leben eines jeden und einer ganzen Familie verändern. Wer will dann schon, dass andere über einen bestimmen?" Sabine Heisig sagt deutlich, um was es ihr geht.
Florian Sitzmann sitzt an ihrer Seite. Er, der mit seinen Büchern, TV-Auftritten und seiner Medienpräsenz tagein tagaus dafür kämpft, dass Menschen mit einem Handicap wahr- und ernst genommen werden, wird an dieser Stelle kurz pessimistisch. "Ich glaube nicht, dass ich Inklusion noch erlebe", sagt der 36-Jährige. Es werde wohl noch Jahrzehnte dauern, bis es so funktioniert, wie Inklusion definiert ist: Nämlich als ein Spiel, bei dem jeder mitspielen kann, der mitspielen möchte.
Ob Krankenkassen oder Gesetzeslagen, Verkehrswege oder Hemmschwellen, Vorurteile oder Missverständnisse, der Weg zu einem ganz normalen Miteinander ist noch weit. Doch der Optimist Sitzmann lässt sich nicht unterkriegen, kämpft weiter für "die Helden des Alltags". Der positive Blick auf die Welt, der Glaube an Menschen, die etwas bewegen können - auch ohne auf den eigenen Beinen zu stehen - ist es, der ihn motiviert.
Gratwanderung
"Es ist mir schon immer ein großes Anliegen, mit Menschen in Dialog zu treten. Auch deshalb habe ich mich für diesen öffentlichen Weg entschieden. Ich kann gut über mein Handicap sprechen und versuche auch andere Menschen vom Spaß am Leben zu überzeugen." Er sagt das und fragt Sabine Heisig, ob sie denn bei seinem zweiten Buch auch mal gelacht habe. Das ist ihm wichtig. Er wollte kein Buch schreiben, dass nur trockene und bittere Erfahrungen rüberbringt. Er will auch nicht den Zeigefinger heben, wenn er über bürokratische Hürden und schlechte Erlebnisse berichtet. "Das ist eine Gratwanderung. Ich weiß." Sitzmann ist Realist, aber einer mit Visionen.
Als er im vergangenen Jahr ganz spontan bei einer Konfirmandenstunde in Coburg seine Geschichte erzählte, war ein Mädchen am Ende sehr berührt: "Sein Schicksal hat mich gebannt, aber von dem Menschen bin ich total beeindruckt. Das ist ein krasser, cooler Typ!", sagte sie. Und genau so wünscht es sich Florian Sitzmann, seit 2008 selbst Vater: "Ein Schicksalsschlag muss keine Bestrafung sein, es kann auch eine zweite Chance sein. " Dafür steht er mit seinem Namen.
Zu der neuen Reality-Soap "Push Girls", die am Freitag auf Sixx startet, hat Florian Sitzmann einen Trailer gedreht. "Die vier Powerfrauen sitzen alle im Rollstuhl und meistern ihr Leben. Sie sind mir ganz ähnlich. Die eine ist sogar Tänzerin", erzählt Sitzmann und freut sich, ein bisschen Werbung dafür machen zu dürfen. Den Spot mit seinem lachenden Gesicht als Antwort auf die Frage nach seinem harten Schicksalsschlag würde er auch zum Thema Inklusion laufen lassen.
Weitere Fotos von Florian Sitzmann gibt's unter
www.inFranken.de