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Fleischskandal in Coburg: "Wir sind schockiert"


Autor: Oliver Schmidt

Coburg, Donnerstag, 06. Juni 2013

Zu nächtlicher Stunde sollen am städtischen Schlachthof in Coburg "Gammelfleisch-Dealer" am Werk sein. Im Coburger Rathaus reagiert man auf die Vorwürfe mit Bestürzung und leitet bereits die ersten Schritte zur Aufklärung ein.
Ein Blick auf den Coburger Schlachthof an der Frankenbrücke. Von hier aus gelangten laut Recherchen des Magazins "Quer" , das gestern Abend im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, Schlachtabfälle wieder in den Umlauf. Fotos: Oliver Schmidt


Der Coburger Schlachthof soll Dreh- und An gelpunkt eines neuen Fleischskandals sein. Das haben Recherchen des Magazins "Quer" ergeben; der entsprechende Beitrag wurde am Donnerstagabend im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt. Demnach seien in der Vestestadt "Gammelfleisch-Dealer" am Werk, die bereits aussortierte Schlachtabfälle entwenden und als Verzehrfleisch wieder in den Warenverkehr bringen. Das eigentlich ungenießbare Fleisch werde zu billigen Preisen an Metzgereien und Wirtshäuser verkauft.

Deal zu nächtlicher Stunde

"Quer" stützt seine heftigen Vorwürfe vor allem auf die Aussage eines Schlachthof-Mitarbeiters, der von den Machenschaften weiß und ihnen ein Ende setzen möchte. Mit einer versteckten Kamera hat das Bayerische Fernsehen außerdem Aufnahmen im Coburger Schlachthof gemacht. Auf den Bildern ist zu sehen, wie das Geschäft offenbar abläuft: Zu nächtlicher Stunde, wenn im Schlachthof an der Frankenbrücke nur wenige Menschen sind, werden die Abfälle aus einem Container geholt und durch das Wegschneiden besonders ekliger Stellen zumindest optisch einigermaßen wieder ansehnlich gemacht. Der Informant behauptet, dass etwa fünf bis acht Personen aktiv in die Betrügerei verwickelt sind - "aber wissen tun es mehr."

Noch bevor der Beitrag ausgestrahlt wurde, präsentierte "Quer" seine Aufnahmen mehreren Vertretern der Stadt Coburg. "Wir sind schockiert", sagte anschließend Stadtsprecher Michael Selzer, "das bedarf einer gründlichen Aufklärung." Die Stadt selbst hat auch bereits die ersten Maßnahmen in die Wege geleitet. So habe man die Regierung von Oberfranken als Aufsichtsbehörde als auch die Staatsanwaltschaft informiert und um Aufnahme von Ermittlungen gebeten, wie Selzer am Mittwochabend sagte.

Fassungslos reagierte auch der zurzeit erkrankte Leiter des Coburger Schlachthofs, Michael Klein. "Das kann ich mir nicht vorstellen", betonte er im Gespräch mit infranken.de. Zu dem Containerbereich mit den Schlachtabfällen könne sich kein Unbefugter Zutritt verschaffen. "Es gibt auch nur drei Schlüssel dazu."

Verwendung als Salami

Zudem werden viele Bereiche des Schlachthofs videoüberwacht. Michael Selzer gab allerdings auch zu bedenken: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Im "Quer"-Bericht wurde geschildert, dass die Käufer der Schlachtabfälle - der Fachbegriff lautet "K3-Fleisch" - oft selbst nachts zum Schlachthof kommen und dort die Ware entgegennehmen. "Das Fleisch kann für Wiener, Salami, Leberkäse oder Rouladen verwendet werden", so eine Vermutung im Fernsehbeitrag.

Der Lebensmittelexperte Professor Manfred Gareis von der Universität München beschrieb die Vorgehensweise mit den Worten: "Da wird etwas veredelt, was nichts mehr wert ist." Er befürchte aber, dass diese Praxis durchaus weit verbreitet sei.

Bei "K3-Fleisch" handelt es sich um Schlachterzeugnisse, die für den Menschen ungenießbar sind. Das einzige, was aus "K3-Fleisch" eigentlich noch gemacht werden darf, ist Hundefutter. Diese Abfälle werden, wie Michael Klein es schildert, in speziellen Containern vom Schlachthof abgeholt und zu einer Spezialfirma in Niederbayern gebracht. Sobald das Fleisch in die Container gelangt, wird es automatisch blau gefärbt und damit als für den Menschen ungenießbar gekennzeichnet.