"Eschi"-Insolvenz: Coburger Landrat greift die EU-Politik an
Autor: Berthold Köhler
Ebersdorf, Dienstag, 17. Juli 2018
Coburgs Landrat Michael Busch (SPD) schimpft nach der Insolvenz des Polstermöbelherstellers Ewald Schillig auf die verfehlte Förderpolitik der EU.
Schwerer Schlag für das Coburger Land als Wirtschaftsstandort und die oberfränkische Polstermöbelindustrie: Die Firma Ewald Schillig hat Insolvenzantrag gestellt. Der Antrag wurde bereits am Freitag eingereicht, teilte gestern Nachmittag Markus Kurz (Pressesprecher bei SRI Schwartz Rechtsanwälte in Nürnberg) mit. Die Kanzlei wurde vom Amtsgericht Coburg zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
"Wir analysieren nun eingehend die Situation des Unternehmens und suchen nach Lösungen", teilte Dr. Jochen Zaremba aus der Kanzlei SRI Schwartz Rechtsanwälte Insolvenzverwalter mit. Er wurde vom Amtsgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ist beauftragt, innerhalb von sechs Wochen ein Gutachten zu den Fortführungschancen des Familienbetriebes zu erstellen. Die Zeit drängt: In acht Wochen, vom 23. bis 26. September, finden die Hausmessen Oberfranken statt - traditionell ein wichtiger Termin für die regionalen Polstermöbelhersteller.
"Der Geschäftsbetrieb läuft erst einmal weiter", versicherte Jochen Zaremba. Die Gründe für die Insolvenzanmeldung liegen nach einer ersten Einschätzung des Insolvenzverwalters wohl in Umsatzrückgängen, unter denen die gesamte Möbelbranche leide. Die Ewald Schillig GmbH & Co. KG, bekannt für die Marke Ewald Schillig, beschäftigt derzeit 230 Mitarbeiter. Das Unternehmen erwirtschaftet knapp 68 Millionen Euro Umsatz an neun Produktionsstandorten in sechs Ländern und beliefert rund 1000 Fachhändler in zehn Ländern.
"Eschi" hat Trends gesetzt
Regelrecht "betroffen und wütend", sagte er auf Tageblatt-Nachfrage, war Landrat Michael Busch (SPD), als er von den Schwierigkeiten bei Ewald Schillig erfuhr. Kein Wunder, schließlich betont Busch als Ebersdorfer seit jeher einen persönlichen Bezug den Polstermöblern. Die Situation der Polstermöbelbranche findet der Landrat "unerträglich", weil der hohe Wettbewerbsdruck in der Branche seit Jahren mit einer verfehlten Förderpolitik in den östlichen EU-Ländern verstärkt wird. "Es muss doch dem Dümmsten klar werden, dass damit nichts gewonnen ist", schimpfte der Landrat. "Ein schwerer Schlag ins Kontor", sagte der Ebersdorfer Bürgermeister, Bernd Reisenweber (BG), als er die Mitteilung des Insolvenzverwalters bekam. Nach der Schließung der Firma Ultsch im Dezember kam von "Eschi" die nächste Hiobsbotschaft, die für Reisenweber nur einen Schluss zulässt: "Die gesamte Branche kränkelt." Aber der Bürgermeister sieht auch Zeichen, die ihm Hoffnung machen - allen voran das Fortbestehen der "Brand"-Sparte bei Ewald Schillig. Sich neu ausrichten und umstruktieren - das könne eine Chance für das Unternehmen sein. "Die Insolvenz muss noch lange nicht das Ende der Geschichte von Ewald Schillig sein", sagte Reisenweber.
Ewald Schillig stand lange für wirtschaftlichen Erfolg. Der vor über 70 Jahren gegründete Polstermöbelhersteller hatte sich in den vergangenen Jahren zu einem der letzten verbliebenen Flaggschiffe der deutschen Polstermöbelbranche entwickelt. Nach einigen Auf- und Ab-Entwicklungen in den 80er und 90er Jahren war das Unternehmen gemeinsam mit der nur wenige Hundert Meter weiter angesiedelten Firma "W. Schillig" der große Imageträger für die in Oberfranken traditionsreiche Polstermöbelbranche.
Zuletzt, aktuelle Zahlen liegen lediglich aus dem Jahr 2017 vor, hatte die Firma an ihrem Stammsitz in Ebersdorf 276 Mitarbeiter, vor fünf Jahren waren es dort noch rund 350. Die Produkte werden nach Unternehmensangaben mittlerweile auch an acht weiteren Produktionsstandorten in insgesamt sechs Ländern gefertigt.
Frisch aus dem Urlaub gekommen, zeigte sich Landkreis-Wirtschaftsförderer Martin Schmitz geschockt: "Das Unternehmen und seine Mitarbeiter haben in der Vergangenheit bei Design und Funktion immer Trends gesetzt." Detaillierte Informationen über die Entwicklung bei Ewald Schillig in den vergangenen Wochen hatte Schmitz nicht. Deshalb setzte der Wirtschaftsförderer seine Hoffnung in das Insolvenzverfahren: "Ich hoffe, dass gute Lösungen gefunden werden, die die Marke und das Leistungsspektrum des Betriebs für unseren Wirtschaftsraum nachhaltig sichern können." So ein Stück Coburger Industriegeschichte dürfe nicht verloren gehen.
Der Insolvenzantrag von Ewald Schillig kommt in einer Zeit, in der sich die gesamte Branche schwertut. Christian Dahm, geschäftsführender Vorstand des Verbandes der Holzwirtschaft und Kunststoffverarbeitung Bayern-Thüringen, blickt derzeit mit Sorge auf das Geschäft in den Möbelhäusern: "Im Handel ist eindeutig zu wenig los." Der auch für die Möbelhersteller zuständige Verbandsgeschäftsführer hat inzwischen auch die Verkaufszahlen für den Monat Mai bekommen. Es sind Zahlen, bestätigte Dahm dem Tageblatt auf Anfrage, die wenig Anlass zur Freude geben: "Auch da sind die Umsätze gesunken." Da sei es klar, dass sich das Problem im Handel auch auf die Hersteller niederschlage.
"Eschi" hat keinen Betriebsrat
Für die SRI Schwartz Rechtsanwälte sind die Probleme in der Polstermöbelbranche nicht neu. Die Kanzlei gehört zu den führenden auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzleien in Süddeutschland. Die Firma zählt mehr als 100 Mitarbeiter, darunter 21 Rechtsanwälte. Unter anderem war Jochen Zaremba auch mit dem Insolvenzverfahren der Firma FM Munzer in Weidhausen betraut.Überraschend kam die Nachricht des Insolvenzantrages auch für Jürgen Apfel, den ersten Bevollmächtigten und Geschäftsführer der IG Metall in Coburg. Aber das hat seinen Grund, erklärte Apfel: Bei der Firma Ewald Schillig gebe es keinen Betriebsrat. Da habe man es als Gewerkschaft schwer, den Mitarbeitern unterstützend zur Seite zu stehen.
Aus der Geschichte der Firma Schillig
1945 Ewald Schillig gründet ein eigenes Unternehmen in Ebersdorf und wird mit Korbtruhen, die dank ihrem gepolsterten Deckel auch als Sitzmöglichkeit dienen, schnell erfolgreich. In den 50er Jahren kommt noch die Produktion von Kinderwägen dazu.
80er Jahre Bedingt durch familiäre Bande arbeiten die Firmen Ewald Schilling und Leonhard Henning (Kinderwagenhersteller aus Weidhausen) immer enger zusammen, am Ende als gemeinsames Unternehmen. Es entstehen neue Hallen, die Konzentration gilt der Polstermöbelfertigung. Horst Henning, der Schwiegersohn von Ewald Schillig, übernimmt die Geschäftsführung.
1994 Carsten Henning und seine Frau Tanja übernehmen 1994 das elterliche Werk. Ewald Schillig führt eine modernere Designlinie ein. Seit der Jahrtausendwende gehört die Firma Ewald Schillig zu den Marktführern.
2016 Der nächste Generationswechsel: Philipp Henning tritt in die Geschäftsführung des Unternehmens ein. Vater Carsten bleibt freilich weiter Teil des täglichen Geschehens im Unternehmen.