"Es ist kein Schicksalsspiel für Alois"
Autor: Christoph Böger
Coburg, Mittwoch, 24. März 2021
Dicke Luft beim Tabellenletzten: Coburgs Geschäftsführer Jan Gorr legt den Finger in offene Wunden - Trainer Mraz darf aber (vorerst) weitermachen.
Natürlich geht es um konstantere Leistungen, mehr Emotionalität mit einer besseren Körpersprache, aber was über allem steht: "Wir kämpfen in diesen verflixten Corona-Zeiten ums Überleben, wir müssen die Wirtschaftlichkeit unserer Vereins sichern. Das ist das Allerwichtigste".
Schwierigste Phase seiner Amtszeit
Jan Gorr, Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten HSC 2000 Coburg, erlebt derzeit die schwierigste Phase seiner langen Zeit in Coburg. Seinem Klub geht es schlecht. Fehlende Zuschauer, weniger Sponsoren, kaum Einnahmen. Dazu erschreckend schwache Leistungen der gut bezahlten Profis auf der Platte. Publikumsliebling Florian Billek sprach nach dem letzten Spiel von einem "blutleeren Auftritt" und einer "bodenlosen Frechheit".
"Ein Weiter-So wird es nicht geben. Das kann ja nicht sein", redet der Aufstiegscoach Tacheles. Einen Trainer-Rauswurf, der in verschiedenen sozialen Netzwerken gefordert wird und in Handballerkreisen, aber auch beim HSC intern, spätestens nach der 21:30-Pleite in Minden diskutiert wird, erteilt Gorr allerdings eine klare Absage: "Wetzlar wird nicht zum Schicksalsspiel für Alois".
Nachdem am Mittwochvormittag das Mannschaftstraining kurzfristig verschoben wurde, weil dafür wichtige Gespräche beim HSC stattfanden, bereitete sich das Gerücht - die "Gelb-Schwarzen" trennen sich von ihrem erst zu Saisonbeginn verpflichteten tschechischen Trainer - wie ein Lauffeuer.
Mehrere Krisengespräche
Dem war aber nicht so. Gorr bestätigt aber mehrere Krisengespräche: "Ja klar, wir hinterfragen derzeit alles". Ernste Gespräche mit den Spielern und den Trainern sind an der Tagesordnung. Grund: "Mir ist das zu wenig. Wir müssen viele Dinge schnell besser machen", fordert der genervt wirkende Geschäftsführer. Seine Kritik ist klar: Er vermisst die Konstanz in den Leistungen der Mannschaft. Einmal Hui und ganz oft Pfui - das reiche in der 1. Liga eben nicht. Die Körpersprache mancher Spieler lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Namen nennt Gorr natürlich nicht, doch vielen Fans ist selbst vor dem Fernseher nicht verborgen geblieben, dass die Emotionalität im Team oft mangelhaft ist. Rückraumspieler Pontus Zetterman oder Kreisläufer Stepan Zeman - beide werden den Klub am Saisonende verlassen - verkörpern maximal gebremsten Siegeswillen. Auch von Neuzugang Nenadic haben sich Verantwortliche und Anhänger mehr erwartet, vor allem in der Offensive.
Auch Kritik an Mraz
Unzufrieden ist Gorr aber auch mit etlichen handballerischen Dingen. Automatismen haben sich unter Alois Mraz noch nicht so entwickelt, wie sich die HSC-Führungsriege das erhofft hatte. Dass der smarte Tscheche vor allem während seiner Auszeiten - "Jungs wir machen jetzt ein Tor" - zu wenig Input bringt, seine Spieler kaum noch erreicht und sich an der Seitenlinie oder auch in der Kabine viel zu brav für den Abstiegskampf präsentiert - das alles kommentiert Gorr nicht. Auf die entscheidende Frage, ob der HSC mit Mraz auch absteigt und dann in die 2. Bundesliga gehen würde, antwortet der Hesse ausweichend: "Ich werde mich jetzt nicht zu irgendeiner Aussage hinreißen lassen. Was machen wir wenn gegen Wetzlar die Welt zusammenbricht?"
Es geht ums große Ganze
Gorr legt aber im gleichen Atemzug noch einmal nach und stärkt Mraz den Rücken: "Nein, es ist kein Schicksalsspiel für den Trainer. Es geht viel mehr um das große Ganze, um die Wirtschaftlichkeit in diesen schweren Zeiten. Und wenn wir in Coburg weiter auf hohem Niveau Handball sehen wollen, muss sich einiges ändern."
Und das sagt der Trainer
Dass die 1. Bundesliga nach dem Aufstieg des HSC 2000 Coburg eine Herkulesaufgabe für den Neuling wird, war allen von Beginn an klar. Auch dem Newcomer auf der Bank, der bisher wenig Impulse im Abstiegskampf setzen konnte.
Alois Mraz ist seine heikle Lage bewusst: "Wir haben es vor allem nicht geschafft, die Duelle gegen die direkte Konkurrenz zu gewinnen und zu punkten. Zwar haben wir mit Siegen gegen Melsungen, Erlangen und Stuttgart gezeigt, dass wir auch andere Mannschaften schlagen können."
Aufgegeben hat der in Dutenhofen lebende Coach, der am Donnerstag gegen seinen Ex-Klub antreten wird, aber noch lange nicht: "Wir müssen es jetzt hinbekommen, die direkte Konkurrenz zu schlagen und da unsere Punkte zu holen, um unsere Chance noch zu nutzen. Es ist immer noch alles möglich mit vier Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz, und da wollen wir in den restlichen Spielen angreifen." Die aktuelle Situation und die Aufgaben seien natürlich sehr anspruchsvoll: "Es ist eine spannende Zeit, in der wir versuchen, das Bestmögliche rauszuholen. Es ist ein Entwicklungsprozess, zu sehen und zu erkennen, wo Dinge verbessert werden können. Da müssen wir mal sehen, wie das weiter verläuft. Jedem von uns ist klar, dass wir uns weiter verbessern müssen".
Als sehr intensiv bezeichnet er den Kontakt mit Gorr. "Wir tauschen uns oft miteinander aus. Das habe ich auch von Anfang an gesagt, dass mir das wichtig ist. Er hat viel Erfahrung, kennt Team und Umfeld. Deshalb ist mir der Austausch mit ihm in konstruktiven Gesprächen sehr wichtig".