Druckartikel: Erziehung von fünf Kindern: Alle sind anders - und doch gleich

Erziehung von fünf Kindern: Alle sind anders - und doch gleich


Autor: Christiane Lehmann

Untersiemau, Donnerstag, 17. Januar 2019

Ob es schwer ist, all seinen Kindern gleich gerecht zu werden? Astrid Schump plaudert aus ihrem fünffachen Mutterherzen.
Wurden gleichberechtigt erzogen - jeder nach seinen Bedürfnissen: Tobias, Saskia, Constatin, Romina und Cedric Schump hier auf einem Bild aus Kindertagen Foto: .privat


Ob Astrid Schump ein "Lieblingskind" hat, bleibt ihr Geheimnis. Genau wie die meisten aller Mütter würde sie das wohl auch nie zugeben. Warum auch?

Die fünf Kinder blicken voller Stolz und Liebe auf ihre Mutter. Saskia (28), Constantin (25), Romina (21) und Cedric (20) sitzen am Kaffeetisch - Tobias muss arbeiten. Spontan haben sie sich Zeit genommen, um mit uns über Gleichberechtigung in ihrer Erziehung zu sprechen.

Am Ende wird Astrid ein "Alles richtig gemacht!" aus dem Mund ihrer Kinder hören. Denn eins wird sehr schnell deutlich: Die Wahrnehmung und Bewertung von Erziehung ändert sich im Lauf der Jahre. Hätte es die Zeiten der Pubertät im Hause Schump nicht gegeben, bräuchten wir hier gar nicht weiterschreiben. Denn spontan fällt keinem der Kinder etwas ein, was die These stärken würde, dass ihre Eltern ein Kind vorgezogen hätten.

Astrid Schump gibt zwar zu, bestimmt nicht immer allen gleichermaßen gerecht geworden zu sein, doch das sei eben auch nicht möglich. "Schließlich ist jedes Kind anders", sagt sie und beschreibt ihre fünf: Da gab es den, der immer angetrieben werden musste, die Ehrgeizige, den Sunnyboy, die diskussionsfreudige Soziale und den ruhigen Denker. "Es geht darum, jedem seinen Raum zu geben und ihn mit seinen Bedürfnissen zu sehen", sagt die 52-Jährige.

Saskia wirft ein: "Aber bei Tobias und mir warst Du noch viel strenger als mit den Jüngeren!" Sie spielt auf den Hausarrest an, den sie zuweilen hatte. Ihren eigenen Kindern will sie das niemals antun.

Gleiche Rechte und Pflichten

Astrid gibt zu: "Ja, ich habe den Älteren zu wenig zugetraut und dementsprechend streng reagiert. Aber ab dem dritten Kind läuft's eben." Dennoch betont sie, alle hätten gleich Rechte und Pflichten gehabt: Frühstückstisch decken, Zimmer aufräumen, Schrank sortieren. Da gab es für niemanden ein Pardon.

Auch fürs Taschengeld, für Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke gab es ein festes Budget. "Keiner wurde bevorzugt", sagt die Mutter. "Das stimmt", sind sich die Kinder einig. Sie waren immer zufrieden - ungerecht fanden sie da eher, dass ihre Freunde oft reichlicher beschenkt wurde. Ein wirkliches Problem war das aber nicht. Ebenso wenig wie die Urlaube: Während die Schumps Ferien auf dem Bauernhof machten oder wandern gingen, berichteten ihre Freunde von Reisen im Ausland oder am Meer.

Achtung Pubertät!

In der Rückschau will Romina einiges loswerden. Ihr kleinerer Bruder Cedrik hatte in ihren Augen immer mehr Freiheiten. "Wenn er weggehen wollte, wurde das immer erlaubt. Oder, wenn er sich was zum Anziehen wünschte, bekam er es auch. Ich nicht!", sagt sie etwas trotzig. Doch sie muss lachen, denn die Antworten am Tisch kennt sie schon: "Ja, Du wolltest am liebsten jeden Tag woanders übernachten und ständig shoppen."

Das war eben die Pubertät, sind sich alle einig. "In der Situation denkt man dann immer, die anderen werden bevorzugt. Ich hatte schon manchmal das Gefühl, nicht gerecht behandelt worden zu sein", gibt sie zu. Doch heute - keine fünf Jahre später - versteht sie vieles und schmunzelt.

Professionell erziehen

Genau wie Saskia und ihr Bruder Constantin ist auch Romina Erzieherin geworden und weiß um die große Herausforderung, alle Kinder gleichwertig zu behandeln. Wie das gelingt? Romina: "Ich versuche bei der Arbeit professionell zu bleiben, denke darüber nach, was ich gelernt habe, und frage mich in schwierigen Situationen, wie würde ich jetzt behandelt werden wollen". Dass Kinder auch im Kindergarten manchmal unterschiedlich behandelt werden, sei vollkommen richtig. Schließlich könne nicht jedes Kind schon mit Freiheiten umgehen. Deshalb dürften eben manche am Vormittag im Garten spielen und andere nicht, ergänzt Saskia. Mit ihren eigenen Gefühlen gegenüber fremden Kindern kommen die beiden nicht in Konflikt. "Fachlich stehen wir über unseren Schwächen."

Constantin fällt zum Thema Gleichberechtigung im Kindergarten was ganz anderes ein. Als Mann sieht er sich im Erzieherberuf oft im Vorteil. Bei Bewerbungen hat er beste Chancen, da es zu wenige seiner Zunft gibt. "Ich kann das alles sehr entspannt sehen und bin immer willkommen - allein schon, weil ich ein Mann bin."

Und noch etwas sei ungerecht, wirft Romina ein: Die Bezahlung gegenüber Lehrern. Schließlich sei ihre fünfjährige Ausbildung viel pädagogischer, und die Arbeit am frühen Kind der Grundstock auf dem alles aufbaut.

Cedric studiert Informatik. Gegenüber seinem Bruder sitzen in seinem Studiengang fast nur Jungs. Auch die Professoren seien nur Männer. Gleichberechtigung sehe anders aus, sind sich die Schumps einig.

Ausnahme-Situationen

Doch zurück in die Familie. Astrid Schump ist nachdenklich geworden. Es gab doch Situationen, in denen sie nicht alle Kinder gleich behandelt habe, gibt sie zu. "Das war zum Beispiel als Tobias mit 14 Jahren dreimal am Knie operiert wurde, oder als bei Cedric die MS diagnostiziert wurde", sagt sie. Wenn Kinder im Krankenhaus waren, hatten sie ihre volle Aufmerksamkeit und die anderen kamen zu kurz. "In diesen Situationen hatte ich schon ein schlechtes Gewissen. Da hätte der Tag mehr als 24 Stunden haben müssen, um allen gerecht zu werden."

Die Kinder schauen ihre Mama an und sind sich einig: "Alles richtig gemacht!"

Lieblingskinder gibt es immer

Studie Autor Jeffrey Kruger widmet sich in seinem Buch "The Sibling Effect: What The Bonds Among Brothers And Sisters Reveal About Us" unter anderem der Frage, ob Eltern ein Lieblingskind haben. Sein Fazit: Jeder Vater, jede Mutter liebt ein Kind mehr als die anderen.

Belegen will Kruger seine These mit Studien einerseits und der Biologie andererseits. Eltern könnten aufgrund ihrer Gene gar nicht anders. Dass viele Eltern ein Kind - meist das älteste - bevorzugen, belegt auch die vom Autor zitierte Studie, die Katherine Conger an der University of California, Davis, 2005 durchgeführt hat. Conger besuchte fast 400 Familien dreimal während drei Jahren, stellte ihnen Fragen und nahm sie auf Video auf. Dabei wurde evident, dass 70 Prozent der Väter und 65 Prozent der Mütter immer wieder für dasselbe Kind Partei ergreifen und das eine stärker und häufiger loben als das andere. Laut Kruger kann man sich also nicht dagegen wehren, ein Kind mehr zu lieben als das andere, wichtig sei es dabei stets fair zu bleiben.