Empört über Unfallflucht: Wer hat Ian (6) umgefahren?
Autor: Sandra Hackenberg
Coburg, Donnerstag, 16. Dezember 2021
Eine Radfahrerin fährt den Jungen vor den Augen seiner Mutter um und fährt einfach weiter. Zu dieser Zeit hätte sie mit dem Drahtesel gar nicht in der Spitalgasse unterwegs sein dürfen.
Es dämmert bereits, als Jule K. mit ihrem Sohn Ian (6) am Dienstag kurz vor 18 Uhr durch die Spitalgasse läuft. Die Mutter von zwei Söhnen hat es eilig, will pünktlich zum Abendessen zuhause sein. Es ist viel los zur Feierabendzeit, jeder will noch schnell seine Einkäufe erledigen oder nach Hause ins Warme.
Ian läuft ein paar Meter vor seiner Mutter auf Höhe der Stadtapotheke, dreht sich zu ihr um - in dem Moment sieht Jule K., wie eine Radfahrerin plötzlich aus der Gegenrichtung auftaucht und direkt auf ihren Sohn zufährt. Die 36-Jährige ruft noch etwas, will ihr Kind warnen. Doch da ist es schon zu spät. Jule K. muss mit ansehen, wie die Radfahrerin Ian mit dem Lenker im Gesicht erwischt.
Das knirschende Geräusch hat sie auch zwei Tage später noch im Ohr. "Das klang richtig fies. Ich dachte, Ian hat sich etwas gebrochen. Er fiel zu Boden und hat sofort wie verrückt geschrien." Zwei Passantinnen - eine von ihnen ist Ärztin - eilen dem weinenden Kind zu Hilfe, legen ihn auf eine Bank vor der Apotheke und versorgen ihn.
Die Radfahrerin bleibt ebenfalls stehen, steigt ab von ihrem Drahtesel, beobachtet die Szene, sagt aber nichts. Jule K. erinnert sich daran, wie sie der Frau zuruft, dass sie hier gar nicht fahren dürfe. Immerhin ist es noch nicht 18 Uhr - erst dann haben Radfahrer freie Fahrt. "Ich habe ihr kurz den Rücken zugedreht und als ich mich wieder umgedreht habe, war sie schon beim Spitaltor", erinnert sie sich. "Und jetzt einfach abhauen?" habe sie der jungen Frau noch hinterhergerufen, in der Hoffnung, Passanten würden sie aufhalten. Doch da sei sie schon über alle Berge gewesen.
Wie sich herausstellt, ist Ian wortwörtlich mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Haut unter der Augenbraue ist blutunterlaufen und angeschwollen, direkt unter dem Auge hat der Sechsjährige eine etwa vier Zentimeter lange Schürfwunde. "Das hätte auch ins Auge gehen können", weiß seine Mutter. "Der Fahrradlenker war ja genau auf Höhe seines Auges."
Als der erste Schock verdaut ist, nimmt Jule K. ihren Sohn auf den Arm und läuft nach Hause. Sie hat es nicht weit. Doch sind ihr laut eigener Aussage auf diesem kurzen Stück noch mehrere Radfahrer begegnet, die zu dieser Uhrzeit dort nicht hätten fahren dürfen. Mindestens acht Verstöße habe sie gezählt. "Normal achtet man auf so was gar nicht. Aber nach so einem Vorfall ist es mir aufgefallen." Seit dem Unfall gehe sie mit einem mulmigen Gefühl durch die Spit.
Radfahrer vs. Fußgänger
In der Coburger Fußgängerzone kommt es - besonders zu den Stoßzeiten - immer wieder zu brenzligen Situationen zwischen Fußgängern und Radfahrern. Dabei weisen Schilder rund um den Marktplatz deutlich darauf hin, dass das Radfahren dort und in der Spitalgasse nur zwischen 18 und 10 Uhr erlaubt ist.